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Gefährdete Kinder melden: Kinderschutz im Jobcenter
Künftig sollen sich weitaus mehr Behörden und Institutionen in Potsdam um den Schutz von Kindern kümmern. Dies sieht das neue Kinderschutzkonzept vor, das Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) am gestrigen Montag vorstellte.
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Potsdam - So sollen zum Beispiel Mitarbeiter staatlicher Stellen, die Auffälligkeiten an einem Kind oder den Eltern bemerken, dies dem Jugendamt melden. Gleiches soll etwa für Sportvereine gelten. Mit den Behörden und Institutionen wird eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen, wie der Leiter des Jugendamtes, Reinhold Tölke, erklärte. In dieser verpflichten sich die Einrichtungen, solche Beobachtungen in einem standardisierten Verfahren dem Potsdamer Jugendamt zu melden.
Als Beispiel nannte Tölke die Mitarbeiter des Jobcenters. Wenn dem Fallmanager etwa eine Familie gegenübersitze, bei der die Mutter völlig überfordert wirke und das Kind unübersehbare blaue Flecken habe, müsse der Mitarbeiter dies künftig melden. Müller-Preinesberger nannte als weiteres Beispiel die Mitarbeiter des städtischen Wohnamts, die unter anderem Familien bei der Suche nach einer Wohnung unterstützen. Auch dabei könnten sich Hinweise auf eine Krisensituation oder eine Kindeswohlgefährdung ergeben, sagte die Sozialdezernentin: „Künftig soll dann das Jugendamt miteinbezogen werden.“
Im Jugendamt werde dem Verdacht dann nachgegangen, so Tölke. Bei einer akuten Gefahr zögen seine Mitarbeiter sofort los und sorgten eventuell sogar dafür, dass das Kind aus der Familie genommen werde. 54 solcher Fälle habe es im vergangenen Jahr in Potsdam gegeben. Eine solche hohe Priorität bekäme ein Fall zum Beispiel, wenn ein Kind laut Mitteilung von blauen Flecken übersäht sei, unregelmäßig in der Kita erscheine oder abgemagert sei, so Tölke. Sollte die Familie trotz mehrerer Versuche nicht die Tür öffnen, könne auch die Polizei hinzugezogen werden. Eine niedrigere Priorität würde ein Fall zum Beispiel bekommen, wenn ein Kind unregelmäßig in die Kita komme und öfter kein Frühstück dabeihabe. „Dann kommen unsere Mitarbeiter womöglich erst nach zwei oder drei Tagen“, sagte Tölke.
Die Stadtverwaltung hofft, durch die Beteiligung möglichst vieler Akteure das Netz engmaschiger zu gestalten und Kindeswohlgefährdungen schneller zu erkennen. „Wir wollen eine Kultur des Hinguckens entwickeln“, so Tölke. Früher habe man allein das Jugendamt für den Kinderschutz verantwortlich gemacht. „Aber wir schaffen das nicht alleine.“ Schon 2005 sei deshalb in Potsdam der Arbeitskreis Kinderschutz gegründet worden. Nun hoffe man, durch das neue Konzept, noch mehr Unterstützung zu bekommen.
Mit Denunzieren habe eine solche Meldung beim Jugendamt nichts zu tun, betonte Müller-Preinesberger. Lieber werde einmal mehr umsonst nachgeprüft als einmal zu wenig. Datenschutzrechtlich sei das kein Problem. Schon jetzt dürften etwa Kindertagesstätten oder Kinderärzte Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung weitergeben. „Kinderschutz bricht Datenschutz“, so die Sozialdezernentin.
Zusätzlich zu den Vereinbarungen mit den staatlichen Stellen, Sportvereinen und anderen Einrichtungen sollen auf Kosten der Stadt Fachkräfte ausgebildet werden. Diese sollen all jene Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten, beraten und auch Hilfestellungen anbieten. Dazu ist Potsdam durch das seit 2012 geltende, neue Kinderschutzgesetz auf Bundesebene verpflichtet. Dieses war auch Anlass für das neue Konzept, das nun mit mehrmonatiger Verspätung den Stadtverordneten vorgelegt werden soll. Insgesamt stellt der Bund der Stadt in diesem und im kommenden Jahr jeweils 100 000 Euro für die Maßnahmen zur Verfügung. Koordiniert werden sollen sie vom Potsdamer Arbeitskreis Kinderschutz.
Das Sozial-Therapeutische Institut Berlin-Brandenburg (Stibb) begrüßte das neue Konzept prinzipiell. Die Leiterin der Beratungsstelle, Annelie Dunand, mahnte aber an, dass das geplante Netzwerk auch mit Leben erfüllt werden müsse. Nötig sei ein gutes Hilfekonzept und finanzielle Unterstützung, damit die entsprechenden Meldungen an das Jugendamt auch Wirkung zeigten, sagte sie. Außerdem komme aus ihrer Sicht der präventive Kinderschutz vor Gewalt und Missbrauch zu kurz, so Dunand. Das Stibb kümmert sich in der Region vor allem um den Schutz von minderjährigen Gewaltopfern.
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