Landeshauptstadt: Kirche nein – was anderes ja
3. Golmer Tag der Archäometrie in der alten Golmer Kirche / Lage des Doppelgrabsteins geklärt
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Golm - Wenigstens seinen geistigen Beistand für den Erhalt des Gebäudes der alten Golmer Kirche versicherte Superintendent Immo Riebicke gestern dem Gemeindekirchenrat. Mit den materiellen Problemen um den Erhalt des wohl ältesten Potsdamer Bauwerkes bleiben Gemeindekirchenrat und Kirchbauverein auf sich gestellt. Nicht als Gemeindekirche, sondern als „etwas anderes“ könne das Gebäude künftig dienen, so der Superintendent.
„Etwas anderes“ ist die Archäometrie, die Wissenschaft von der Altersbestimmung von Denkmalen. Zum dritten Golmer Tag der Archäometrie versammelten sich gestern Wissenschaftler, Historiker, Architekten und andere Interessierte im kalten Innenraum der Kirche, um sich in vier Vorträgen über die Methoden der Altersbestimmung zu informieren. Prof. Hans-Gerd Löhmannsröben, Physikochemiker an der Universität Potsdam, will die Kirche am liebsten als Dauer-Praktikumsort nutzen, um hier mit Studierenden Altersbestimmungen vorzunehmen. Wie er sagte, werden physikalisch-chemische Verfahren hierbei zunehmend bedeutsamer. Die bisher ältesten Bauteile der Kirche sind allerdings nicht durch Spektrometrie, sondern durch konventionelle Holzanalysen bestimmt worden. Sie stammen danach aus dem Jahre 1471.
Im Mittelpunkt der gestrigen Vorträge standen Untersuchungen über eine Doppelgrabplatte, welche sich einst „irgendwo“ in der alten Kirche befand. Als vor 130 Jahren die benachbarte Kaiser-Friedrich-Kirche fertig war, ist die Grabplatte in den Neubau überführt worden und bis vor kurzem rätselten die Fachleute, an welcher Stelle sich das Grab des auf dem Stein verewigten Paares Claus von Schönow und Margareta von der Gröben nebst zwei Söhnen befand. Mittels Radar-Strahlen hat der Geophysiker Prof. Jens Tronicke jüngst den Kirchenboden untersucht und ist fündig geworden. Die Methode der zerstörungsfreien Altersbestimmung mittels Geo-Radar ermöglicht es, einen Blick in den Untergrund bis zu zwei Metern Tiefe zu werfen und die dort vorhandenen Strukturen durch 3-D-Visualisierung anschaulich zu machen. Laut Tronicke lag der Grabstein inmitten des Kirchenschiffes, etwa zweieinhalb Meter vor dem Altar.
Der Doppelgrabstein, nach dem Berliner Kulturwissenschaftler Frank Eckard ein „einzigartiges Zeugnis des Mittelalters in Potsdam“, befindet sich heute im Eingang zur neuen Kirche. Es zeigt ein sehr junges Paar, der Mann war zum Zeitpunkt seines Todes erst 26 Jahre alt. Margareta starb zwar 19 Jahre später, aber da laut Eckard die Mädchen im Mittelalter bereits im zarten Alter von 12 bis 14 Jahren heirateten, sei Frau von der Gröben zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr gestorben. Ihr Todesjahr ist auf dem Grabstein nicht vermerkt.
Wenn auch die Lage der Grabplatte aufgeklärt zu sein scheint, birgt der Stein offenbar noch manches Geheimnis. So können die Wissenschaftler nicht sagen, aus welchem Sandstein-Material er besteht und wo er gemeißelt worden ist. In der Vortragsrunde kam die Vermutung auf, dass es sich um einen noch älteren Stein handeln könnte, der für das Adelspaar, dessen Geschlecht im Mittelalter über zirka 80 Ortschaften herrschte, einfach umgeformt worden ist.
Günter Schenke
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