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Landeshauptstadt: Kirche sucht Liebhaber

Der Putz blättert, durch die Bänke frisst sich der Holzwurm. Trotzdem ist das Gotteshaus in Uetz ein „Schmuckstückchen“

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Es geht einmal scharf rechts, dann scharf links die Landstraße entlang und dann ist man schon vorbei. Die Kirche des knapp 400 Einwohner zählenden Potsdamer Ortsteils Uetz liegt versteckt. Vom schmucklosen Platz mit Bushaltestelle einige Meter zurückgesetzt. Der Weg hoch zu Gotteshaus und Dorffriedhof ist von Buschwerk zugewachsen. Jetzt soll die Kirche aber in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden. Thomas Sager, eines von fünf Mitgliedern im Gemeindekirchenrat, will sie für den diesjährigen Tag des offenen Denkmals am 9. September anmelden.

Jahrzehnte hatte die Uetzer Kirche mit ihren Füßen im Wasser gestanden. Wegen einer fehlenden Dachrinne schoss bei heftigen Regenfällen das Wasser von den riesigen Dachflächen herunter auf die Erde. Die Wassermassen gruben mehr und mehr das weiche Erdreich ab, der angrenzende Friedhof drohte weggespült zu werden. Inzwischen sind Regenrinne und Fallrohre ersetzt, der Wasserstrom wird in eine Zisterne gelenkt, wo er versickert. Kein Grund zum Aufatmen, sagt Sager. Von den immer noch durchfeuchteten Wänden bröckelt der 150 Jahre alte Putz in großen Stücken und legt das Mauerwerk frei. Beheizt werde der Sakralbau mit dem gusseisernen Kohleofen nur zum Gottesdienst an Heiligabend, den im Schnitt immerhin rund 70 Uetzer besuchten. Feuchte und Kälte seien ein gutes Milieu für den Holzwurm, der sich eifrig durch die Kirchenbänke aus dem 19. Jahrhundert frisst, sagt das Gemeinderatsmitglied. Wurmbefall und Wandputz müssten dringend angegangen werden, findet der 37-jährige Wahl-Uetzer. Die Evangelische Kirche habe aber dafür kein Geld.

Dem Gotteshaus fehlten die Liebhaber, sagt Wolfdietrich Max Vogt, Hausarchitekt der Gemeinde. Bisher gebe es im Grunde nur eine Handvoll Menschen, die sich um den Erhalt und die Pflege des zum Großteil neogotischen Baus kümmerten. Dabei sei die Uetzer Kirche bei genauerer Betrachtung ein „Schmuckstückchen“, wie der Fachmann sagt. Er verweist dabei unter anderem auf das aus dunklen Holzschalungsbrettern gebaute Tonnengewölbe an der Decke des Kirchenschiffs. In Schablonentechnik seien hier rot-weiße Malereien aufgebracht worden, die die vier Evangelisten symbolisierten: der Engel für Matthäus, der Adler für Johannes, der Löwe für Markus und der Stier für Lukas. Die Farbe sei inzwischen „pudrig und mürbe“ und muss aufgearbeitet werden, sagt der Architekt. Das Trockenlegen des Mauerwerks hingegen habe für ihn nicht oberste Priorität. Mit dem Kanalisieren des Regenwassers sei bereits der größte Schadenverursacher eingedämmt, so Vogt. Dennoch verwies er auf eine relativ kostengünstige Methode, mit der man das Mauerwerk schnell austrocknen und von Salz befreien könne: nämlich mit einem so genannten Opfer- oder Sanierputz, der Salz und Feuchte aus der Wand ziehe. Das dauere etwa fünf Jahre, so Vogt. Die vollgesogene Schicht werde dann wieder abgetragen und entsorgt und durch eine haltbare Wandverkleidung ausgetauscht.

Für den Architekten ist die Uetzer Kirche auch deshalb so bedeutsam, weil sie am Königsweg – jener Verbindung zwischen der Residenz Potsdam und dem Sommersitz der Königin Luise in Paretz – liege. Luises Mann, König Friedrich Wilhelm III., hatte außerdem der Kirchgemeinde 1832 einen wertvollen Kronleuchter geschenkt, der allerdings nach einem Bericht im ZDF über Kirchenschätze in der DDR 1979 „fachmännisch demontiert und gestohlen“ wurde, wie Ortschronist Wolfgang Grittner schildert. Seinen Recherchen zu folge hatte an der Stelle des heutigen Sakralbaus bereits im 14. Jahrhundert ein Kirchlein gestanden, das von einer geistlichen Bruderschaft errichtet worden war. Das älteste Schriftstück aus der Baugeschichte der Kirche stamme aus dem Jahr 1689 und dokumentiere die Ausbesserung des Holzturms, der erst 1904 durch einen massiven Kirchturm ersetzt wurde, sagt der Ortschronist. Abschriften, aber auch Originale der Kirchendokumentation befanden sich im Kirchenknauf, das ist die goldene Kugel unter dem Wetterhahn, ganz oben auf der Kirchturmspitze. Als diese im Jahr 2000 ausgebessert wurde, habe er die Unterlagen gesichtet. Der heutige Bau aus Kalkstein und Ziegel stamme aus dem 19. Jahrhundert, so Grittner. Wie viel Substanz noch aus vorigen Jahrhunderten vorhanden sei, wisse er nicht.

Der Sammler von Dokumenten aus dem gesamten Wublitztal wies auf seinen persönlichen „Schatz“ hin: Ein Grabmal auf dem Friedhof von Uetz aus dem Jahr 1783 für die verstorbene Frau des Gutzbesitzers Louise Dorothea Christiane von Götzen, geb. von Hollwedell. Auch für die stark verwitterte Stele müsste sich jemand finden, der sie vor dem Verfall bewahre, sagt Grittner.

Nicola Klusemann

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