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PNN-Aktion "Potsdam schenkt": Kistenweise erfüllte Wünsche

Unsere Redakteurin Katharina Wiechers hat die PNN-Aktion „Potsdam schenkt“ betreut. Ihr Bericht über anfängliche Sorgen, überraschende Angebote, berührende Gesten – und das, was hoffentlich bleibt.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Potsdam - Es war der Tag nach dem Erscheinen der ersten Folge von „Potsdam schenkt“, vormittags. Immer wieder klickte ich auf den Posteingang der eigens eingerichteten E-Mail-Adresse, blickte zum Telefon. Würde sich jemand melden? Sich bereit erklären, die Geschenke für Manal und Hassan zu besorgen, das syrische Paar mit den drei Kindern, das ich vorgestellt hatte? Oder hatte ich die Potsdamer falsch eingeschätzt? Wollte womöglich gar niemand mehr etwas wissen vom Thema Flüchtlinge?

Alle hatten sich geziert, einen Wunsch zu äußern

Und dabei hatte ich so vielen Menschen Hoffnung gemacht, musste sie regelrecht überreden, mir einen Wunsch zu nennen, oft unter Widerstand, oft nur nach Vorschlägen von mir oder dem jeweiligen Übersetzer, der mir bei den Interviews half. Ausnahmslos alle hatten sich geziert, einen Wunsch zu äußern, wo sie doch ohnehin schon so dankbar waren, in Deutschland Sicherheit gefunden zu haben, wenigstens vorübergehend. Das galt für Manal und Hassan, aber auch für Fatemeh und Matin, Nazir, Jakcha, Saliye und Sakhidad. Und natürlich Abdul Hamid, dessen Geschichte mich persönlich besonders berührt hatte. Was sollte ich tun, wenn kein einziges Geschenk ankommen würde? Mit leeren Händen in die Flüchtlingsunterkunft zurückkehren? Die Kollegen um Spenden bitten? Freunde anhauen? Oder selber einkaufen gehen?

Nochmal ein Klick in den Posteingang. Vielleicht jetzt. Und tatsächlich: 11.35 Uhr, Betreff: Hassan und Manal. „Ich habe am Wochenende ihren Bericht über die syrische Flüchtlingsfamilie gelesen und kann mir vorstellen, einen der Wünsche zu erfüllen.“ Puh.

In der Flüchtlingsunterkunft am Brauhausberg gibt es immer Bedarf an Spenden

Die nächsten Tage und Wochen sollten zeigen, dass meine Angst völlig unberechtigt war. Im Gegenteil. Fast 50 Leser meldeten sich in der Redaktion, per Mail, per Telefon. Sie alle wollten einen der Wünsche erfüllen, schon nach der ersten von sieben Folgen war klar, dass mehr Geschenke zusammenkommen würden, als zu Beschenkende da waren. Und dass zum Beispiel Manal und Hassan für ihre Kinder nicht drei Nachtlichter, drei Lerncomputer und drei Kinder-Pianos brauchten, lag auf der Hand. Ein Anruf in der Unterkunft am Brauhausberg, wo die meisten unserer Serien-Teilnehmer leben, genügte, um zu wissen, dass das kein Problem sein würde. „Hier gibt es immer Bedarf an Spenden“, sagte der Leiter. „Und in ein paar Tagen kommen hier wieder 40 Menschen an, darunter viele Kinder.“

Meine Kollegen und ich waren beeindruckt: Denn die Potsdamer kamen auch dann, wenn der Wunsch schon erfüllt war und sie wussten, dass ihr Geschenk ganz anonym einem unbekannten Flüchtling zugutekommen würde, und brachten Pakete in die Redaktion. Und das nicht zu knapp.

Anfangs dachte ich, ich könnte die paar Geschenke auf meinem Schreibtisch sammeln. Doch dann hätte ich schon nach wenigen Tagen keine Chance mehr gehabt, die Tastatur unter all den Päckchen zu finden. Ein Raum in der Redaktion wurde deshalb zum Geschenkelager auserkoren, er füllte sich von Tag zu Tag mehr. Vor allem mit Kinderspielzeug, liebevoll verpackt, mit einem Zettel versehen, auf dem „Für einen Jungen ab 5“ oder Ähnliches stand. Eine Person schleppte offenbar eine ganze Kiste voller Geschenke an, leider habe ich sie nicht persönlich angetroffen. Sogar die Pro Potsdam hatte von der Aktion mitbekommen und trat einen 400-Euro-Möbelgutschein ab, den der Geschäftsführer einer Tochterfirma bei einer Tombola gewonnen hatte. Über den Beratungsfachdienst der Diakonie wurde er an einen jungen Somalier und eine alleinerziehende Syrerin vermittelt, beide sind gerade in eigene Wohnungen gezogen.

PNN-Leser erwiesen sich als besonders kreativ

Die PNN-Leser hingegen erwiesen sich besonders bei den Geschenken für die kleine Marta als kreativ. Das siebenjährige Mädchen aus Afghanistan war partout nicht dazu zu bringen, einen Wunsch zu äußern, auch aus den Eltern war nichts herauszubekommen. Nur ihre Lieblingstiere hatte Marta mir verraten: Pferde. So hatte ich es auch den Lesern vermittelt, ohne Wunsch wollte ich die Familie nicht davonkommen lassen. Daraufhin kamen Pferdebücher, Pferdedecken, ein Reiterhof und sogar zwei kniehohe Spielpferde zum Striegeln, Streicheln und Draufsitzen in der Redaktion an. „Das Pferd heißt Sabrina“, hatte ein Mädchen auf eine Karte geschrieben, die einem der Spieltiere um den Hals hing. Und ihre Telefonnummer hinterlassen.

Mit Abstand die meisten Reaktionen rief aber die Geschichte über Jakcha und ihre drei Töchter hervor, die aus Tschetschenien und vor allem vor dem gewalttätigen Vater geflohen waren, und sich einen Besuch im Schwimmbad gewünscht hatten – den Wunsch der zehnjährigen Tamiva, sich persönlich bei Angela Merkel für die Aufnahme in Deutschland zu bedanken, hatte ich als unrealisierbar verworfen und gar nicht erst zu Papier gebracht. Weit über 20 Menschen wollten der Familie das Ticket spendieren, gleich als Erstes hatte sich ein Mann aus Babelsberg per Mail gemeldet und ein besonders großzügiges Paket für die Familie angeboten: Dreimonatskarten für alle vier, Schwimmbrillen für die Kinder und ein Gutschein für ein Sportgeschäft, falls Badeanzüge benötigt würden. Er hielt sein Versprechen, ein paar Tage später brachte er alles vorbei, schön verpackt. Weil ich den anderen Lesern das Signal aus der Unterkunft weitergegeben hatte, dass auch andere Familien sich über Tickets freuen würden, kamen letztlich zehn Badgutscheine über unterschiedliche Beträge in der Redaktion an. Und auch der Kosmetikgutschein für Saliye und der gebrauchte Computer für Nazir – am Ende der Aktion hatten wir wirklich für jeden ein Geschenk bekommen und viele darüber hinaus.

Applaus für die Schenkenden

Zwei Autos packten PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz und ich damit voll. Ein paar Tage ist es erst her, dass wir damit hinauf auf den Braushausberg fuhren. Wie schon bei meinen ersten Besuchen, als ich die Flüchtlinge interviewt und der Fotograf sie abgelichtet hatte, wurden wir mit offenen Armen empfangen. Wieder nahm uns eine Mitarbeiterin in Empfang. Sie begleitete uns zum Unterkunftsleiter, dem wir die „übrigen“ Geschenke zum Weiterverteilen übergaben. Dann ging es in einen anderen Raum, wo all jene warteten, denen wir Geschenke übergeben wollten. Fast unangenehm war uns der Applaus, der bei jedem übergebenen Geschenk gespendet wurde. Schließlich kamen die Päckchen ja nicht von uns persönlich oder den PNN. Der Applaus galt den Schenkenden – und hiermit soll er weitergegeben werden.

Natürlich war die Freude groß, die Dankbarkeit auch. Nazir bot uns gleich mehrmals an, behilflich zu sein – „egal bei was“, und die kleine Tamiva umarmte uns beide sogar kurz. Nur für einen hatten wir kein Geschenk dabei, zumindest keines, das man einpacken konnte: Sakhidad hatte sich jemanden gewünscht, der mit ihm Deutsch üben würde, und tatsächlich hatte sich ein Potsdamer gemeldet, der das gerne machen möchte. Erst als ich Sakhidad dessen Nummer weitergab – wegen seiner schlechten Augen bat er mich, sie extra groß zu schreiben – merkte ich, wie gut sein Deutsch schon war. Den Dolmetscher hätten wir beim Interview gar nicht gebraucht. „Ich will aber perfekt werden“, sagte Sakhidad fast entschuldigend.

Mit der Familie aus Afghanistan ins Naturkundemuseum

Auch an Fatemeh und Matin, die schüchternen Afghanen, hatte ich eine Nummer zu vergeben. Eine Dame hatte sich telefonisch in der Redaktion gemeldet und angeboten, mit der Familie einmal ins Naturkundemuseum zu gehen. Als ich sie nach der Geschenkübergabe anrief, um auch ihr die Nummer von Matin zu geben, realisierte ich, wie sehr sie dieser Besuch schon beschäftigt hatte. Sie habe für die Kinder bereits Spielsachen besorgt, erzählte sie, und plane außerdem, die Familie nach dem Besuch zu sich nach Hause zum Essen einzuladen. Im Januar will sie Kontakt aufnehmen.

Aber auch darüber hinaus habe ich Hoffnung, dass sich die ein oder andere Patenschaft entwickeln könnte. So hatte eine junge Frau angeboten, Manal nicht nur den Wunsch nach einem Kinder-Keyboard für die Tochter zu erfüllen, sondern sie auch weiterhin zu unterstützen, zum Beispiel bei der Suche nach einer Wohnung. Um die beiden miteinander bekannt zu machen, nahm ich die PNN-Leserin mit zur Geschenkübergabe in Manals und Hassans Zimmer im alten Landtag – wo wir wie Königinnen empfangen wurden. Manal und ihr Mann hatten köstliches Kibbeh zubereitet, ein syrisches Gericht mit Hackfleisch und Bulgur, außerdem wurde uns Kaffee, Tee und Gebäck gereicht. Als wir nach mehr als einer Stunde wieder gehen wollten, war Manal richtig enttäuscht – und packte uns unter Protest Extra-Portionen für die Männer zu Hause ein.

Zu einem weiteren köstlichen syrischen Gericht hatte mich Abdul Hamid eingeladen. Obwohl er sich kein „richtiges“ Geschenk, sondern Geld für die Operation seines kleinen Bruders wünschte, nahmen wir ihn in die Serie „Potsdam schenkt“ auf – als eine Art Ausnahme. Als ich ihn in seiner Wohnung in Babelsberg besuchte, empfingen er und seine Frau mich mit einem riesigen Teller voller Kabsa, einem herrlich duftenden Gericht mit Reis, Huhn und Mandeln. Noch bevor ich den ersten Bissen machen und wir darüber sprechen konnten, wie wir das Geld auftreiben könnten, sagte er: „Katharina, ich weiß, dass du mir helfen möchtest, und dafür danke ich dir sehr. Aber wenn es nicht klappt, denke bitte nicht, dass ich enttäuscht von dir bin. Allein schon dieses gemeinsame Essen war es dann wert.“

Dass Potsdamer sich so offen gezeigt haben, hat mich wirklich berührt

Zu den vielen schönen Dingen, die „Potsdam schenkt“ mit sich gebracht hat, gehört, dass Abul Hamid innerhalb weniger Tage das Geld zumindest für eine der wichtigen Operationen zusammenbekommen hat. Das ist nicht nur den PNN-Lesern zu verdanken, wohl aber zu einem großen Teil. Dass die Potsdamer sich so offen gezeigt haben, so viel gegeben und so viel getan haben, für Abdul, aber auch für die anderen, hat mich wirklich berührt. Und mich sehr stolz gemacht auf diese Stadt.

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