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POSITIONEN: Klarsicht – Einsicht – Weitsicht

Zur Diskussion über den Bau eines modernen Fußballstadions Von Bernd Schröder

Stand:

Das zunehmende Desinteresse und Unverständnis der Bürger für gesellschaftspolitische Ereignisse und Entscheidungen, auch in unserer Landeshauptstadt, ist vorrangig das Resultat fehlender Klarheit in den Argumentationen der politischen Verantwortlichen und nicht selten auch der Hang zur Oberflächlichkeit in der Berichtserstattung.

Eine klare Sicht auf die Realität der Situation bezüglich der Chance für eine Stadienkultur der Zukunft in unserer Stadt, das ist das Mindeste was ich persönlich, auch als Bürger erwarten kann. Worum geht es denn eigentlich, doch wohl nicht allein darum, was sich der SV Babelsberg 03 und der 1. FFC Turbine Potsdam vorstellen beziehungsweise was sie sich nicht vorstellen können. Hier geht es doch um ein Stadion, das auch ein Aushängeschild für unsere Landeshauptstadt sein sollte! Wer den untrennbaren Zusammenhang zwischen Spielkultur, Fankultur und Stadionkultur bis heute noch nicht erkannt hat, der sollte sich eine andere Sportart suchen.

Es geht auch um die Zukunft des Fußballs in unserer Stadt, nicht zuletzt um die Pflege von Traditionen. Ich muss ernsthaft daran erinnern, dass diese Traditionen nach der Wende dramatisch auf der Kippe standen, zumal damals sogar der SV Wannsee und die SG Bornim das Karli als Heimstätte gewählt hatten. Leute, die sich heute als so genannte Verwalter der Tradition sehen, sollten wissen, dass es nur der Konsequenz und Besonnenheit damaliger Persönlichkeiten des Potsdamer Fußballs zu verdanken ist, dass die Traditionen unter anderem von Rotation beziehungsweise Motor Babelsberg sowie auch von Turbine Potsdam bis in die Gegenwart erhalten werden konnten. Diese Leute waren mit Herz und Leidenschaft Diener ihrer Vereine und ihrer Sportart.

Wenn man bedenkt, dass nur noch bis zum 30. April 2007 Zeit ist, sich als Stadt zu positionieren, aber in der Presse so getan wird, als wäre diese Entscheidung nur ein Problem einer Konfliktmasse zwischen den SV Babelsberg 03 und dem 1. FFC Turbine Potsdam. Was soll dieser Unsinn? Besser wäre es endlich einmal klarzustellen, dass es sich bei den unter anderem in der Machbarkeitsstudie dargestellten über 40 Millionen Euro für ein so genanntes „Neues Stadion“ um eine Anlage handelt, die für Zuschauerkapazitäten von 20 000 und mehr ausgelegt ist.

Diese werden überhaupt nicht gebraucht, damit würde eine derartige Anlage in dieser Größe niemals gebaut. Es ist schon toll, wenn die Fraktionschefs unseres Stadtparlamentes das Bedürfnis haben sich in Diskussion und Planung einzubringen, aber gleichzeitig sich in eine Richtung äußern ohne eine tatsächliche Klarsicht der Dinge zu haben; wen wundert es?

Der Mensch, das Vernunft begabte Wesen; sicherlich eine Tatsache, aber wieder einmal bezüglich der sachlichen Antwort nach einer angemessenen Fußballarena für unsere Stadt eher eine Illusion. Allein der Ausspruch eines maßgeblichen Funktionärs des SV Babelsberg 03 „Zwangsumsiedlung“ zeigt, wie wenig man erwachsen sein muss, um derartiges sensibles Vokabular in diesem Zusammenhang zu gebrauchen. Wenn man bemüht sein will, Einsicht für eine optimale Lösung zu entwickeln, muss man auch bereit sein, die Dinge zu sehen wie sie sind und damit den Blick für die erforderliche Weitsicht in die Zukunft zu öffnen.

Übrigens, Turbine spielt seit fast 40 Jahren im Karl-Liebknecht-Stadion; dieses Stadion ist auch unsere Heimat, ungern würden wir diese verlassen, aber wer zahlt den Preis für die Zukunft? Sicherlich kaum die derzeitigen Verantwortlichen der Stadt und beider Vereine. Leider bin ich viel zu sehr Kenner der Situation in dieser Stadt, auch Realist genug, um zu befürchten: Wir werden die Chance für eine moderne Spielstätte nicht zu nutzen wissen! Wieder einmal werden wir zu spät kommen, dass dabei auch der Fußball auf der Strecke bleiben wird, erkennen sicherlich nur die Fachleute dieser Sportart.

Viel Glück für den Sport in unserer Stadt, viel Glück auch für die Zukunft des Karl-Liebknecht-Stadions.

Bernd Schröder ist seit 1971 Cheftrainer des heutigen Frauenfußball-Bundesligisten 1. FFC Turbine Potsdam.

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