Aus dem GERICHTSSAAL: Kleiner Sohn als Langfinger?
Gericht glaubt Angeklagter nicht
Stand:
Arabella A.* (20) schwört vor dem Jugendgericht Stein und Bein, ihr Sohn habe bei Schlecker Am Schlaatz das Buch „Eine glückliche Ehe“ sowie ein Glätteisen aus dem Regal genommen und in seinem Kinderwagen deponiert. Die Vorsitzende nimmt das Gefährt samt Kind in Augenschein. Der Kleine ist seit der Tat am 22. August 2008 erheblich gewachsen. An besagte Dinge in den Auslagen würde er allerdings auch jetzt nicht herankommen, beteuert die im Drogeriemarkt angestellte Caroline C.* „Außerdem lagen die Sachen in der Falte des Wagen-Verdecks. Wie soll das Kind sie da verstaut haben?“, fragt sie. „Ich hatte gleich das Gefühl, dass die Frau etwas stehlen will. Sie bewegte sich ganz vorsichtig im Laden und schaute sich immerzu um. Als sie raus wollte, ging der Alarm los.“ Auf den Diebstahl angesprochen, habe Arabella A. sie beschimpft und beleidigt, dann gewürgt und ihr einen heftigen Hieb in den Bauch versetzt. Bis zum 31. August sei sie krankgeschrieben gewesen, erzählt die Verkäuferin. Ihre Kollegin habe sie zuvor schon vor der Bosnierin gewarnt. Doch Arabella A. genieße Narrenfreiheit. „Alle haben Angst vor ihr und ihrer Familie.“
Die wegen Diebstahls und Körperverletzung Angeklagte lacht abschätzig. Folgt man ihrer Aussage, ist sie gerade dabei, ihre schwere Kindheit und Jugend hinter sich zu lassen, sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Obwohl sie und ihr Mann Arbeitslosengeld II beziehen, reiche das Einkommen. Ab nächsten Monat wolle sie bei der Urania einen Kurs besuchen, um sich im Lesen und Schreiben der deutschen Sprache zu vervollkommnen. Irgendwann – so die Vorstellung der jungen Mutter – möchte sie einen Schulabschluss machen, danach eine Lehre. „Am liebsten Friseurin oder Dolmetscherin“, meint sie. „Sie sind kein unbeschriebenes Blatt“, gibt Richterin Rita Franke zu bedenken. Das Register der Angeklagten weist Eintragungen wegen Diebstahls, versuchter Körperverletzung, gemeinschaftlichen Raubes, versuchter Nötigung, Betruges, Beleidigung sowie Erschleichens von Leistungen auf.
Die Angeklagte habe routiniert und organisiert gestohlen, das eigene Kind vorgeschoben, betont der Staatsanwalt. Da ihrem Sohn nicht geholfen sei, wenn Arabella A. im Gefängnis lande, plädiert er dafür, die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für die Dauer eines Jahres zur Bewährung auszusetzen. Das Gericht folgt diesem Antrag. „Sie haben jetzt zwölf Monate Zeit zu beweisen, dass Sie aus Ihrer Vergangenheit gelernt haben“, so Amtsrichterin Franke. Zudem müsse die Angeklagte 100 Euro an die von ihr verletzte Verkäuferin zahlen und 100 Stunden unentgeltlich arbeiten. Und sie hat dem Gericht regelmäßig über ihre Fortschritte Bericht zu erstatten. (*Namen geändert.) Hoga
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