
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Kleist ist ein Mädchen
Grande école als Schule des zweiten Bildungsweges vor 270-jährigem Bestehen
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Wenn Potsdams älteste Schule, die im Jahr 1739 eröffnete Grande école, am 7. September ihr 270-jähriges Bestehen feiert, wird der Dichter Heinrich von Kleist die Gäste begrüßen und durch das Haus führen. Der berühmteste Eleve und Namensgeber der Schule ist diesmal ein Mädchen - dafür wurde die Abiturientin Maria Mikityla ausgewählt.
Ihre zeitgerechte Kleidung ist das Ergebnis eines der vielen Projekte, in denen sich die Studierenden in die Geschichte der heutigen Schule des zweiten Bildungsweges vertiefen. Kleist zur Hand gehen andere berühmte Schüler und Lehrer der einstigen Großen Stadtschule, wie da waren der Physiker Hermann von Helmholtz, der 1848er Revolutionär Max Dortu oder der Mathematiker Carl Gustav Jacobi.
Kürzlich stellten die Kleistschüler ihre Projekte zum Jubiläum vor. Wieder wird es eine Kleist-Aufführung geben, diesmal Szenen aus seiner Komödie „Der zerbrochene Krug“. Auch ein neues, von Maria Mikityla entworfenes Schullogo wurde kreiert. Es zeigt eine Ansicht des Schulgebäudes und ein Porträt von Kleist. Ein Fotokalender wird herausgegeben, der Szenen aus dem Schulalltag mit Aussprüchen Heinrich von Kleists verknüpft. Er wird anlässlich des Jubiläums zum Kauf angeboten. Eine Gruppe hat die Lebensläufe prominenter Schüler erforscht, unter dem Titel „Indroduction of famous personalities of our school“ übrigens auch auf Englisch, und dazu historische Visitenkarten angefertigt. Dabei erweist sie sich als bemerkenswert tolerant und würdigt sogar Fritz Schmenkel. Der Name des Kommunisten, der im Zweiten Weltkrieg als Partisan in der sowjetischen Armee gekämpft hatte, war 1977 durch die SED-Kreisleitung gegen den Widerstand von Eltern und Denkmalpflegern der damaligen Zehnklassenschule (POS 15) übergestülpt worden.
Neben zwei im Stadtarchiv aufgefundenen Diplomarbeiten zur Schulhistorie hat die Projektgruppe Geschichte alte Klassenbücher und allerlei anekdotisches Material aufgestöbert. Dazu zählt ein Entschuldigungszettel: „Konnte nicht am Unterricht teilnehmen, weil ich während meines Urlaubs verreist war.“
Die Schule hat ihre Jubiläumsprojekte auch auf die Naturwissenschaften ausgedehnt. U. a. war ein „Alchimistenlabor“ aufgebaut. In anderen Räumen erfuhr der Betrachter etwas über den Biologieunterricht vor 270 Jahren und konnte in einer Versuchsanordnung die vom einstigen Stadtschulschüler entwickelten Helmholtz-Spule kennenlernen.
Die Feier zum 270. Gründungstag soll ein Ereignis für die ganze Stadt werden, so wie sie das schon 1739 zur Einweihung war. Laut Stadthistoriker Samuel Gerlach fanden sich damals „außer einer gewaltigen Menge anderer Leute auch die Herren Staabs- und anderen Offiziers von dem damaligen großen Königl. Grenadier-Regiment, die sämmtliche Herren des Raths und alle Prediger ein“. Auch im Jubiläumsjahr öffnet die Kleistschule ihre Tore der Potsdamer Öffentlichkeit. Dazu wird traditionell das Hoftheater beitragen, diesmal spielt „marameo“ Molieres „Tartuffe“.
Schulleiterin Angela Hoffmann und das 33-köpfige Lehrerkollegium haben das abgelaufene Schuljahr dazu genutzt, „Tag und Abend“ noch näher zusammenzuführen - also die rund 170 Tagesschüler, die bis 15 Uhr unterrichtet werden, und die 300 Abendschüler, die erst 17 Uhr beginnen. 2007 waren in dem Haus die Abendschule und das bis dahin in Teltow untergebrachte Potsdam-Kolleg für Tagesschüler, beides erfolgreiche Bildungseinrichtungen mit einer eigenständigen Schulkultur, zur Schule des zweiten Bildungsweges vereinigt worden. Damit holen hier nun 470 Jungerwachsene das Abitur und andere Schulabschlüsse nach. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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