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Von Richard Rabensaat: Klimabilder

Gesucht wird ein Gesamtbild des weltweiten Klimas Am Institut für Kunst und Medien der Universität Potsdam erforscht Birgit Schneider die bildliche Darstellungen des Klimas

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Diagramme, Tabellen und Kurven sind eigentlich nicht besonders sexy. Dennoch verändern sie die Sicht auf das Klima, auf die Wirtschaft und auf die Welt. „Eigentlich gibt es das Klima ja gar nicht, sondern nur ein Bild, das wir uns davon machen“, stellt Birgt Schneider fest. Eben dieses Bild werde erst durch Grafiken anschaulich. Wie sich die bildlichen Darstellungen des Klimas in den vergangenen zwei Jahrhunderten verändert haben, erforscht die promovierte Medienwissenschaftlerin in den kommenden fünf Jahren am Institut für Kunst und Medien der Universität Potsdam.

Nachrichten von Wirbelstürmen, Wüstenbildung und Hochwasser beherrschen die Nachrichten seit die Klimadiskussion immer höhere Wellen schlägt. In den Medien sind die Wetterkatastrophen Einzelphänomene. Erst wenn sie in Grafiken zusammengefasst und veranschaulicht werden, ergibt sich ein Gesamtbild vom weltweiten Klima. Wie diese Gesamtschau entsteht interessiert Schneider.

Als besonders prominentes Beispiel einer Diagrammkurve, die es in der öffentlichen Diskussion zu erheblicher Berühmtheit gebracht hat, nennt die Wissenschaftlerin die „Hockey Stick Grafik“. 1999 von drei Wissenschaftlern veröffentlicht, schien die zackige Linie genau den dramatischen Temperaturanstieg zu bestätigen, den Ökologen schon geraume Zeit zuvor beschworen hatten. Die Linie verläuft über einen Zeitraum von tausend Jahren. Sie zeigt, dass in den vergangenen zehn Jahren eine bis dahin einmalige Klimaveränderung stattgefunden hat. Obwohl mittlerweile ein wissenschaftlicher Konsens über die Klimaerwärmung besteht, wird die Kurve immer wieder angezweifelt. Denn vor tausend Jahren gab es noch keine meteorologischen Messstationen, also müssen die entsprechenden Daten aus Baumringen, Eisbohrkernen und Gesteinsablagerungen rekonstruiert werden und sind ungenau.

„Das kann natürlich nicht so exakt sein wie heutige Messungen“, sagt Birgit Schneider. Sie weist darauf hin, dass in Diskussionen Unsicherheiten, die in der Grafik einkalkuliert gewesen seien, weggelassen worden seien: „So hat sich eine unmittelbar verständliche Drohkulisse ergeben“. Notwendig sei keine Kurvendiskussion, sondern eine Einschätzung der sozialen Folgen der Klimaveränderungen. Deshalb will sie bei ihrer Forschungsarbeit auch mit dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zusammenarbeiten.

Angefangen hat die Darstellung des Klimas etwa um 1815, als Alexander von Humboldt aus vereinzelten Messdaten Linien formte und sie in ein Diagramm übertrug. Der Forscher konnte die Messdaten von 58 Wetterstationen auswerten, heute wären es etliche Tausende. Damals entstand ein Bild vom Wetter aus Daten, die vorwiegend der Seefahrt dienten, die Logbücher gibt es noch heute in einzusehen.

Mit dem Durchstöbern alter Archive und Aufzeichnungen wird Birgit Schneider ab Anfang des kommenden Jahres einen erheblichen Teil ihrer Zeit zubringen. Sie erhofft sich Aufschluss über die Entstehung der Bilder. „Parallel mit der Entdeckung des Klimas geht auch die Entwicklung der grafischen Methoden einher“, hat sie entdeckt.

Der „Zwitter von Bild und Technik“ in entsprechenden Darstellungen hat die Forscherin auch bei ihrer bisherigen Arbeit fasziniert. Weil sie ein ebenso starkes wissenschaftliches wie künstlerisches Interesse hatte, suchte sie schon im Studium nach einer Möglichkeit, beides zu verbinden. Die fand Schneider im Kunst- und Medienstudium und in der Forschung über „technische Bilder“. Dass wissenschaftliche Darstellungen eine erhebliche ästhetische Komponente haben können, zeigen schon Aquarelle, die Alexander von Humboldt zur Illustration der verschiedenen Klimas einer Bergregion anfertigen ließ. Stiche aus Atlanten, die im 19. Jahrhundert erstmals mit Schautafeln von Wasser- und Flussbewegungen ein Gesamtbild vom Kosmos entwerfen, beeindrucken noch heute.

Hinter der systematischen Forschung zur Geschichte der Bilder stellt sich dann die Frage, welche Bilder die öffentliche Diskussion bestimmen. Denn mit der Veränderung des Klimas werden die wissenschaftlichen Bilder davon eine immer größere Bedeutung gewinnen und die öffentliche Diskussion formen. Um einen Überblick über den Bilderberg zu erhalten wird Schneider zunächst in ihrem Institut an der Universität Potsdam eine entsprechende Bilddatenbank anlegen. Fünf Jahre seien eigentlich eine recht kurze Zeit, um dem Klima auf die Spur zu kommen, überlegt sie nicht zuletzt im Hinblick auf die gravierenden gegenwärtigen Klimaveränderungen.

Richard Rabensaat

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