Landeshauptstadt: Knast oder Ruhe?
Ursula Stoof begleitet Potsdamer Stalkingopfer
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Meistens sind es verlassene Ehemänner und Liebhaber, die ihren Partnerinnen hinterherstellen, berichtet Rechtsanwältin Ursula Stoof. In ihrer Kanzlei in der Potsdamer Innenstadt sitzen regelmäßig Menschen, die Opfer von Stalking wurden und ihre Verfolger loswerden möchten. „Stalking“, das beinhaltet Telefonterror, aber auch Nachlaufen und Auflauern, bis hin zu körperlicher Gewalt. Bisher konnte Stoof Betroffenen – fast ausschließlich Frauen – nur mit Hilfe des „Gewaltschutzgesetzes“ helfen, um den Verfolgern zu verbieten, sich ihren Opfern zu nähern. Das Gesetz, das „Stalking“ seit April als Straftatbestand definiert, soll es nun ermöglichen, Täter zu bestrafen und Opfern leichter zu helfen. Die bisherige Rechtslage war dafür unzureichend: „Ich habe Mandanten nur helfen können, wenn ich die Tat unter das Gewaltschutzgesetz bringen konnte. Ich musste also nachweisen, dass dem Opfer Gewalt angetan wurde“, so Stoof. Zwar habe sie so schon viele Verurteilungen erreichen können, auch Telefonterror sei schon als Gewalt anerkannt worden. Wichtigster Unterschied sei jedoch, dass das Gewaltschutzgesetz zum Zivilrecht zählt. „Der Täter ist in diesem Fall nur Antragsgegner“, erklärt Stoof. Das Anti-Stalking-Gesetz aber ist der Paragraf 238 des Strafgesetzbuches. Im Unterschied zum Zivilrechtsverfahren, bei dem es um eine Einstweilige Verfügung geht, ist das Ziel im Strafrechtsprozess eben eine Bestrafung des Täters. Und das kann durchaus auch eine Haftstrafe sein.
Doch genau an dieser Stelle sieht Stoof auch Probleme. „Man muss sich überlegen, was das Ziel ist. Soll der Täter in den Knast oder will das Opfer einfach seine Ruhe?“ Die Opfer litten vor allem unter dem Verlust ihrer Privatsphäre. Stoof hat beobachtet, dass viele Opfer sich trotzdem noch verantwortlich für ihre ehemaligen Partner fühlen – selbst wenn diese sie terrorisieren. Nicht jede Betroffene wolle, dass der Täter ins Gefängnis müsse, zumal oft auch gemeinsame Kinder da sind. „Eine Einstweilige Verfügung hilft oft schon“, so Stoof, „manchen wird dann einfach bewusst, was sie da tun und sie hören auf.“
Falls dies aber nicht so sein sollte, droht den Tätern auch nach alter Rechtslage Zwangsgeld oder, falls sie nicht zahlen können, ebenfalls eine Haftstrafe. Für die Rechtsanwältin ist der neu geschaffene Straftatbestand also keine Alternative, sondern vielmehr eine Ergänzung zu den bestehenden Möglichkeiten, gegen „Stalker“ vorzugehen. Vorteil des bestehenden Zivilrechtsverfahren sei die Geschwindigkeit: „Eine Einstweilige Verfügung habe ich zwei Tage, nachdem das Opfer bei mir war“, so Stoof.
Ihren aktuellen Fall wird sie wohl mit den Mitteln von Paragraf 238 vor Gericht bringen: Eine junge Frau wird von ihrem Ex-Freund am Telefon und am Arbeitsplatz terrorisiert. „Der klassische Fall“, sagt Stoof. Der zuvor angestrengte Zivilprozess endete zwar mit der Auflage, der Mann dürfe sich seiner ehemaligen Partnerin nicht mehr nähern - daran gehalten hat er sich aber nicht. Damit sei jetzt klar, „dass er zum Strafrichter müsse“. Stoof geht davon aus, dass er eine Bewährungsstrafe von etwa einem halben Jahr bekommen wird. Wird der Mann dann erneut auffällig, muss er seine Strafe absitzen.
Durch die Anerkennung von Stalking als Straftat werden sich wohl mehr Opfer trauen, sich vor Gericht gegen das Stalking zu wehren - und das nicht erst, wenn es zu körperlicher Gewalt gekommen ist. Zwei Monate nach in Kraft treten des neuen Gesetzes hatte die Polizei in Potsdam bereits 11 Anzeigen wegen „Nachstellens“ aufgenommen. Frida Thurm
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