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Von Juliane Wedemeyer: Knochen in der Konserve

Hygienemängel in jedem zweiten Lebensmittelbetrieb / Bewertungs-Liste existiert, aber nicht öffentlich

Stand:

Fast jeder zweite Betrieb der Landeshauptstadt genügte 2008 nicht den Anforderungen des Lebensmittelüberwachungsamtes, sagte Amtschefin Renate Lehmann gestern auf PNN-Anfrage. Das war schon vor zwei Jahren so. Geändert habe sich allerdings, dass die Küchenangestellten und Mitarbeiter disziplinierter geworden seien. „Die steten Kontrollen zeigen ihre Wirkung“, sagte Renate Lehmann. So beanstandeten Potsdams Lebensmittelüberwacher vor zwei Jahren vor allem Fleischprodukte: In einem Drittel der bemängelten Warenproben waren bereits Keime und Krankheitserreger vorhanden. 2008 seien dagegen nur fünf Proben nicht in Ordnung gewesen.

In 1642 Supermärkten, Bistros, Restaurants, aber auch in Seniorenheimen, Bäckereien und Großküchen waren Renate Lehmann und ihre zehn Mitarbeiterinnen 2008 im Einsatz – teilweise gleich mehrfach. Knapp die Hälfte der Unternehmen wies bei den Kontrollen Hygiene-Mängel auf. „Das reicht vom verschimmelten Obst bis zu Würmern im Frischfleich und Rattenknochen in Konserven“, erklärte Renate Lehmann. Oft fehle aber auch einfach nur eine Dunstabzugshaube oder zu kleine Eier würden als Ware der Güteklasse I statt II verkauft.

In den schlimmeren Fällen haben Renate Lehmann und ihre Kollegen 99 Betriebe verwarnt und 35 Ordnungsverfügungen ausgesprochen. Zudem laufen gerade ein Strafverfahren und sieben Bußgeldverfahren wegen mangelnder Hygiene. Das höchste Bußgeld, das sie im vergangenen Jahr verhängt haben, betrug 1500 Euro.

Untersucht werden die verschiedenen Einrichtungen je nach Risikolage, so schreibt es das neue Hygiene-Gesetz seit 2006 vor. Das bedeutet, eine straff organisierte Großküche kontrolliert das Überwachungsamt vielleicht nur einmal im Jahr, ein kleines Bistro auch mehrfach, erklärte Renate Lehmann. Denn die Hygiene eines jeden Betriebes hänge auch stark vom Bildungsstand der Angestellten ab. Wenn ein Imbiss-Mitarbeiter beispielsweise die deutsche Sprache nicht gut genug beherrscht, um die Hygiene-Vorschriften zu lesen, könne er sie auch nur schwer einhalten. Das erkläre auch die jedes Jahr aufs gleiche hohe Zahl der Mängel.

Dabei sind seit 2006 „Eigenkontrollkonzepte“ vorgeschrieben. Die Betriebe müssen genau dokumentieren, etwa welcher Mitarbeiter wann die Temperatur an der Salatbar oder im Kühlhaus geprüft hat. Zusätzlich müssen sie jeden Lieferschein aufheben, damit der Weg der Lebensmittel bis zum Hersteller zurückzuverfolgen bleibt. Außerdem müssen die Mitarbeiter nun regelmäßig an Hygiene-Schulungen teilnehmen.

Lehmanns Kontrolleure haben alle Potsdamer Lebensmittel-Unternehmen bewertet. Maßstab ist ein landesweit einheitliches Punktesystem. Und das gilt nicht nurfür Supermärkte und Gaststätten, sondern auch für Bauern, Imker und Futter-Hersteller sowie Tier- und Lebensmitteltransporteure. Denn die Kontrollkette soll künftig „vom Feld bis auf den Teller“ reichen, so Lehmann. Alle zwei Jahre werde diese Liste überarbeitet.

Im Internet werde sie aber nicht veröffentlicht. Eine Liste der ekligsten Restaurants wie in Pankow, werde es in Potsdam nicht geben. Als bundesweit bislang einzigartiges Modellprojekt hat das Berliner Bezirksamt eine Liste ins Netz gestellt, in dem die Restaurants mit Hygiene-Mängel speziell gekennzeichnet sind. Gaststätten mit guten Hygiene-Standards erhalten dagegen ein Smiley als Gütesiegel. In Berlin wird bereits diskutiert, die Internetliste auf ganz Berlin zu übertragen. Die Regelung in Pankow ziele in die richtige Richtung ziele, erklärten die Vertreter aller Fraktionen im Berliner Landtag.

„Für uns wäre der Verwaltungsaufwand zu groß“ erklärt der Chef des Fachbereichs Gesundheit in Potsdam, Andreas Ernst. Es stelle sich ja die Frage, wie oft die Liste dann erneuert werden müsse. Denn schließlich reagierten die Lebensmittel-Unternehmer ja auch auf Hinweise aus dem Überwachungsamt. Außerdem könnte jeder Einwohner sich über die Hygienestandards eines jeden Potsdamer Restaurants informieren. Dazu berechtigt ihn das Verbraucher-Informations-Gesetz. Er müsse lediglich beim Lebensmittelüberwachungsamt einen schriftlichen Antrag stellen. Dann machten sich die Kontrolleure dorthin auf den Weg und innerhalb einer Woche hätte er das Ergebnis.

Juliane Wedemeyer

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