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Von Richard Rabensaat: Knochenharte Rechenarbeit

Der Arbeitsmarkt für Digital Artists wächst auch in Deutschland, die Babelsberg Filmschool stößt in diese Branche

Stand:

Die drei schneeweißen Spitzen der Kühlerhaube von „Mach fünf“, dem Rennwagen von „Speed Racer“, fliegen über die Leinwand. Hochglänzende Bilder, poppig aufgemotzt, blankpoliert und glaskar. „Bilder die noch nie dagewesen sind“, sollen es sein, verkündet Studio Babelsberg zu dem Film, der im vergangenen Jahr unter anderem in Babelsberg produziert wurde. Weltweit arbeiteten 500 Digital Artists an dem Film mit, in Potsdam schwitzte immerhin eine Crew von fünfzehn Leuten an den Previsual Effekt und den Visual Effekts.

„Wir haben so einige kuriose Architekturen entworfen, die wir dann im digitalen Set an den Strand von Bora Bora gestellt haben“, schildert der Potsdamer Carsten Woithe seine Mitarbeit als Digital Set Designer bei „Speed Racer“. Häufig waren es knappe Skizzen, die Woithe von den Regisseuren, den Wachowski Brüdern bekam, visuelle Ideen, die er in die dreidimensionale Realität und die virtuelle Welt übersetzte. Die Postproduktion, also die Endmontage des Films fand in Paris und Los Angeles statt, in Agenturen mit hundert und mehr Mitarbeitern, die es in Deutschland noch nicht gibt.

Digital Artists sind die Zauberer digitaler Bilderwelten. Sie basteln mit Programmen wie Maya, Nuke oder Side FX aus einem schnell hingeworfenen Bildersalat, aus Ideen und Skizzen von Regisseuren und Autoren die Optik des Films. Wenn der Clownfisch Nemo, animiert von der Trickfilmschmiede Pixar, schwerelos beschwingt über die Leinwand schwebt, haben für jeden seiner Flossenschläge hunderte von Digitalkünstlern monatelang an Rechnern gebastelt.

Einige davon werden künftig aus Potsdam kommen. An der neu gegründeten „Babelsberg Film School“ absolvieren sie ein nicht ganz billiges, aber doch verhältnismäßig preiswertes Studium. Dabei lernen sie von der Bleistiftskizze über das Storyboard bis hin zur Vektor basierten 3D-Grafik die Feinheiten der digitalen Bildbearbeitung. Das ist zunächst einmal harte Arbeit. Wenige Sekunden im Film kosten Tage im Studio. Denn jeder Nagel der Holzhütte am Strand von Bora Bora muss erst einmal einzeln designt werden.

Die Babelsberg Film School ist im April aus der früheren German Film School in Elstal hervorgegangen. Sie zählt sich selbst zu den führenden Filmhochschulen für digitale Medienproduktion in Deutschland und bietet industrie- und praxisnahe Ausbildung für Animation und visuelle Effekte. Die Hochschule mit derzeit rund 65 Studenten wird seit 1. Juli offiziell als Kooperation der Studio Babelsberg AG und der Mediadesign Hochschule geführt.

Die Filmindustrie stellt sich gegenwärtig auf die neuen digitalen Anforderungen ein. „Die Struktur in Deutschland erweitert sich“, stellt Carsten Woithe fest. Es vermutet, dass es etwa 500 professionelle digitale Freiberufler gegenwärtig in Deutschland gibt, die Honorare von 150 bis 700 Euro am Tag bekommen. Sei ihre Qualifikation entsprechend hoch, so seien sie gefragte Fachkräfte, die häufig auch im Ausland arbeiten würden. Noch sei aber der Arbeitsmarkt für die Fachkräfte in Deutschland nicht nur rosig.

Kalle Max Hofmann „Head of Compositing“ bei „Pictorion – das Werk“ beobachtet ebenfalls, dass der digitale Postproduktionsbereich gegenwärtig auf Wachstumskurs ist. Hofmann ist mit der digitalen Bearbeitung beispielsweise der Filme von Wim Wenders beschäftigt. Er zeigt eine Szene des Films „Palermo Shooting“, in der der Sänger Campino aus tricktechnischen Gründen an einem Draht hängt. Der Draht läuft quer über sein Gesicht, soll aber im Film später natürlich nicht zu sehen sein. Jede Nuance der Haut und der Gesichtszüge Campinos muss einzeln nachbearbeitet werden, um die Illusion zu schaffen, er schwebe im Bild.

Das bedeutet für Hoffmann tagelange Fummelarbeit, die dann gelungen ist, wenn sie im Film nicht zu sehen ist. „Es dauert Jahre, bis man die Programme wirklich flüssig beherrscht und Effekte zaubern kann, ohne groß darüber nachzudenken.“ Wie viele andere Digital Artists hat sich Hoffmann die Bildbearbeitungsprogramme zunächst selbst am Rechner beigebracht.

Das ging noch in den 90er Jahren, heute steigen die Anforderungen an Digital Artists. Die Babelsberg Film School stößt in diese Lücke. Sie konzentriert sich auf den Spielfilmbereich. Der klassische Animationsfilm interessiere die Schule zwar als Grundlage, das Hauptaugenmerk soll jedoch bei den digitalen Effekten liegen, die sich mit dem Realfilm verbinden ließen, erklärt der Studioleiter Manfred Büttner. Einige Filmhochschulen wie die Filmakademie Ludwigsburg oder Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam (HFF) bieten zwar Spezialisierungsmöglichkeiten, aber eine wirklich passende Ausbildung fehlte bisher in Deutschland.

„Um eine Figur mit einem Skelett zu versehen und den Stoffen im Bild eine richtige Struktur zu geben, sind Spezialisten notwendig“, stellt Georg Wieland, Line Producer bei Trixter fest. Es gebe nicht ausreichend gut ausgebildete Fachkräfte, deshalb sei immer noch ein Einstieg als Digital Artist über ein Praktikum und eine anschließende Ausbildung möglich.

Richard Rabensaat

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