Landeshauptstadt: Knoten um die Beute
Schlangenbesitzer Rainer Kwasi fütterte gestern in der Biosphäre seine „July“
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Bornstedter Feld – Für July war es nicht mehr als eine Vorspeise. Denn wenn die 20-jährige Tigerpython hungrig ist, verschlingt sie gerne drei oder vier Kaninchen, weiß ihr Besitzer Rainer Kwasi. Sogar ganze Schafe und Ziegen stehen normalerweise auf ihrem Speiseplan. Für die Besucher in der Biosphären-Halle im Bornstedter Feld fütterte Kwasi die sechs Meter lange Schlange gestern Nachmittag mit einem lebendigen Kaninchen.
Zuschauen wollte allerdings keiner, als das langohrige Tier zu July in den Käfig gesetzt wurde. Im Gegenteil: Besorgte Eltern entfernten sich sogar mit ihren Kindern, als Kwasi ihnen die Fütterung erklären wollte.
Schon die Beschaffung des Kaninchens hatte sich als problematisch erwiesen: Zwei Tage lang suchte Kwasi mit Mitarbeitern der Biosphäre nach einem Potsdamer Züchter, der seine Tiere als Schlangenfutter verkauft. In buchstäblich letzter Minute fand Angela Kaiser dann gestern einen Verkäufer auf einer Kaninchenzuchtausstellung in Paaren. Die Ausstellung habe sie aber über eine Hintertür verlassen müssen, berichtete Kaiser, die selbst Vegetarierin ist. Über die Vorurteile gegenüber Schlangen wundert sich Kwasi. Er spricht die Gäste in der Biosphäre an, versucht, ihnen die Tiere nahe zubringen, will Ängste abbauen.
Trotzdem ist es kein friedlicher Anblick, wenn July sich ihrem Opfer nähert. Binnen Sekunden hackt sie ihre vier fünf Zentimeter langen Reißzähne in das Beutetier, das nichtsahnend zwischen den Schlangen umhergehoppelt war. Kwasi versichert, dass das Kaninchen keine Angst verspürt habe: „Schlangen sind geruchlos“, weiß er. July knotet sich unterdessen um die Beute. „Immer, wenn das Kaninchen ausatmet, drückt sie weiter zu“, erklärte Kwasi. Im Zeitlupentempo würgt die Schlange das Kaninchen bis zum Herzstillstand. Denn würde sie vorher anfangen, ihr Opfer zu verschlingen, könnte das Karnickel die Schlange von innen mit seinen Krallen verletzen.
Nur alle vier Wochen bekommen Kwasis 15 Schlangen, von denen momentan zehn in der Tropenhalle leben, eine Mahlzeit. Entsprechend viel Zeit nehmen sie sich mit dem Essen. „Wie ein Gourmet“, findet Kwasi. Bis zu vier Stunden könne es dauern, bis das Essen im Magen landet. Ist das Beutetier tot, beginnt die Schlange, durch Züngeln Speichel zu produzieren. Dann schiebt sie das weit aufgerissenes Maul über das Opfertier. Weil sie ihren Kiefer davor an vier Stellen aushakt, kann July auch Tiere verschlingen, die zehn mal so groß wie ihr Kopf sind, erzählt Kwasi. Sieben bis neun Tage dauert es, bis sie die Nahrung verdaut und alle Nährstoffe aufgenommen hat. Es folgt eine „Wohlfühlphase“, die mit der Häutung endet. „Schlangen werden nicht älter, sondern immer jünger“, schwärmt Kwasi.
Von der Bezeichnung „Schlangenflüsterer“ will er nichts hören: „Schlangen lassen sich nicht dressieren“, betont der ehemalige Akrobat. Er versteht sich als „einer, der mit Schlangen kann“. 19 Jahre lang lebt und arbeitet er schon mit den respekteinflößenden Tieren. Bis zum 30. April ist er noch in der Biosphäre zu Gast. Kwasi, der hier manchmal bei seinen Schlangen übernachtet, freut sich über „das 7000 Quadratmeter große Wohnzimmer“.
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