Landeshauptstadt: Kompromiss und Skandal
Beim Babelsberger Pflasterstreit Annäherung für Jahnstraße / Nicht legitimiertes „Konzept“ aufgetaucht
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Babelsberg - Es zeichnet sich eine überraschende Annäherung zwischen den Anwohnern und der Stadt im Streit um den künftigen Fahrbahn-Belag der Jahnstraße ab: Die Argumente der Bürgerinitiative Jahnstraße zugunsten einer Wiederverwendung des Originalpflasters hätten die Verwaltung „zu Überlegungen angeregt“, wie Dieter Lehmann, Fachbereichsleiter Stadterneuerung und Denkmalpflege, im Bauausschuss am Dienstagabend sagte. Gleichzeitig zog Jahnstraßen-Protagonistin Alexandra Wendeler ihren angekündigten Redebeitrag im Ausschuss mit der Begründung zurück, die Verwaltung sei mit den Anwohnern der Jahnstraße nun „in vernünftigen Gesprächen“.
Dessen ungeachtet kochte im Bauausschuss die Stimmung hoch, weil bekannt geworden war, dass die Verwaltung bereits seit 2003 über ein „Konzept“ dazu verfüge, mit welchen Materialien Pflastersteinstraßen in Babelsberg saniert werden sollen. Ein solches Konzept den Stadtverordneten vorzulegen war jedoch vom Bauausschuss seit Jahren vergebens gefordert worden. Bei der Bürgerversammlung zur Jahnstraße am Montagabend hatte ein Mitarbeiter der Stadtkontor GmbH nach Angaben von SPD-Fraktionschef Mike Schubert auf ein solches „Konzept“ verwiesen, auf das sich das Tiefbauamt, die Stadterneuerung und Stadtkontor geeinigt hätten. Der Ausschussvorsitzende Christian Seidel (SPD) sprach von einem „Skandal“; er komme sich „verschaukelt“ vor. Gegenüber Dritten werde mit einem Konzept argumentiert – und dem Ausschuss werde stets erklärt, dass es keines gibt. Die in dem „Konzept“ gemachten Abstimmungen stehen nach Ansicht von Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) „im Widerspruch zu einem Stadtverordneten-Beschluss von 1991“, in dem der Erhalt historischer Pflasterstraßen festgelegt wurde. Saskia Hüneke mit belegter Stimme: „Die Abstimmung von 2003 steht im Widerspruch zur Beschlusslage.“ Dass jahrelang nach dem 2003er Papier verfahren worden sei und nicht nach dem Willen des Stadtparlaments finde sie „ungeheuerlich“. Seidel beauftragte die Verwaltung, dem Bauausschuss in der nächsten Sitzung vollständige Auskunft über das vom Ausschuss nicht legitimierte Konzept zu geben. Schubert stellte hierzu eine Anfrage an die Stadtverwaltung.
Das Wort „Konzept“ sei in der Bürgerversammlung gefallen, bestätigte Frank Steffens, Fachbereichsleiter Grün- und Verkehrsflächen. Es handele sich aber um „keine große Philosophie“, sondern stelle nur „eine Bewertungsmatrix“ darüber dar, nach welchen Argumenten die Pflasterstraßen welchen Belag nach der Sanierung bekommen. Es handele sich um „eine interne Abstimmung“, von einem „Konzept“ könne nicht die Rede sein, sagte auch Fachbereichsleiter Lehmann.
Dieser sprach gegenüber den Jahnstraßen-Anwohnern von der „ästhetischen Qualität“ und „Besonderheit“ der Jahnstraße, die sich von anderen Straßen im Gebiet unterscheide – auch aufgrund ihrer geringen Länge von nur 108 Metern „in finanzieller Dimension“. Lehmann: „Mehr als vorher werden wir die ästhetischen Dinge höher werten.“ Mit einem Mehraufwand von etwa 30 000 Euro sollen dem neuen Kompromiss zufolge die gut erhaltenen Steine des originalen Granitsteinpflasters wieder für die Fahrbahn verwendet werden, allerdings in gebundener, einbetonierter Weise. Dazu werde es mit der Bürgerinitiative einen Workshop geben. Das Schlusswort Seidels: „Das ist eine erfreuliche und überraschende Wende.“ Guido Berg
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