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Verhärtete Fronten. Nicht nur wegen der Erstattung von Beerdigungskosten Bedürftiger liegen die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde und die Stadt Potsdam im Klinsch, auch die Gestaltung des jüdischen Gräberfelds am Neuen Friedhof sorgt für Streit. Hier ist der bisherige jüdische Friedhof am Fuße des Pfingstbergs zu sehen. Dort wird es bald zu eng.

©  Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Konflikt um Bestattungen verschärft sich

Gericht soll im Streit zwischen Gesetzestreuen und Stadt um jüdische „Sozialbestattungen“ entscheiden

Von Katharina Wiechers

Stand:

Der Streit um die jüdischen Bestattungen in Potsdam beschäftigt nun auch die Justiz. Um eine vollständige Kostenübernahme der Beerdigung ihres Mannes zu erreichen, hat eine jüdische Witwe nun einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht gestellt. Unterstützt wird sie dabei von der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde Potsdam.

Die Frau ist Sozialhilfeempfängerin und hat damit Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt bei der Bestattung ihres verstorbenen Mannes. Im Mai 2012 trug sie ihn zu Grabe, nach jüdischem Gesetz muss ein Jahr später der Grabstein aufgestellt werden (siehe Kasten). Doch den will die Stadt nicht vollständig bezahlen. Der Stein kostet 1032 Euro, wie aus dem Antrag hervorgeht. Die Verwaltung hat aber nur 350 Euro bewilligt. Dadurch werde der Abschluss der Bestattung im Rahmen der jüdischen Tradition verhindert, heißt es in dem Schreiben.

Die Weigerung der Stadt sei eine Verletzung der Menschenwürde der Hinterbliebenen, findet der Geschäftsführer der Gesetzestreuen Gemeinde, Shimon Nebrat. Zudem werde die Witwe ungleich behandelt. Schließlich habe die Stadt im vergangenen Jahr Grabsteinkosten von 900 Euro übernommen. Auch in anderen Städten wie Cottbus oder Berlin werde weit mehr als die nun angebotenen 350 Euro bezahlt.

Ein Sprecher der Stadtverwaltung bestätigte, dass es einen Rechtsstreit gibt, wies die Vorwürfe aber zurück. Für die Bestattung Bedürftiger existiere ein Richtwert, der bei insgesamt 2500 Euro liege. 350 Euro davon seien für den Grabstein vorgesehen. Die Zuzahlung von 900 Euro im vergangenen Jahr sei eine Ausnahme gewesen und ebenfalls vor Gericht erwirkt worden, sagte der Sprecher. Derzeit prüfe die Stadt aber die aktuellen Kosten bei Steinmetzen und werde die Pauschale möglicherweise anpassen.

Der Konflikt um die Kostenerstattungen ist aber nicht der einzige, den Stadt und Gesetzestreue derzeit austragen. Auch bei der Gestaltung des jüdischen Gräberfeldes, das auf dem Neuen Friedhof an der Heinrich-Mann-Allee entstehen soll, fühlen sich die Gesetzestreuen ungerecht behandelt. Sie wollen einen eigenen Friedhof, auf dem nur Gemeindemitglieder nach den streng traditionellen jüdischen Gesetzen beerdigt werden – oder zumindest eine abgetrennte Fläche auf dem Neuen Friedhof. Der Zaun, die Tore, der gepflasterte Weg und die übrigen Arbeiten, die für eine solche abgegrenzte Fläche nötig wären, würden 70 000 Euro kosten. Zu viel, entschied die Stadt. Sie prüft derzeit, wie die Kosten gesenkt werden könnten.

Nebrat fühlt sich im Stich gelassen. 2003 sei vom Land ein Gesetz verabschiedet, wonach Friedhöfe nur noch durch Körperschaften öffentlichen Rechts betrieben werden dürfen – ein Status, den die Gemeinde nicht hat. „Damit haben wir kein Recht auf unseren eigenen Friedhof“, sagt Nebrat. „Deshalb haben wir nach einer Notlösung gesucht und uns auf einen abgetrennten Teil auf dem kommunalen Friedhof geeinigt.“ Zusammen mit den verstorbenen Juden der anderen Gemeinden Potsdams könnten die Gesetzestreuen nicht bestattet werden. Diese gehörten einer andere Religionsgemeinschaft an, deshalb sei es nicht erlaubt, sagt Nebrat. Er sieht nur einen Ausweg: „Wir haben unseren Mitgliedern gesagt, sie sollen weiterleben.“

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