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Von Erhart Hohenstein: Konstanze von Stauffenbergs „geheime Taufe“

Jüngste Tochter des Widerständlers war im St. Josefs-Krankenhaus zu Gast, wo sie 1945 als Säugling betreut wurde

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Nach 63 Jahren betrat Konstanze von Schulthess-Rechberg am Samstag erstmals wieder das St. Josefs Krankenhaus, in dem sie als Neugeborene von Februar bis April 1945 mit ihrer Mutter 66 Tage lang durch die Ärzte und Schwestern betreut worden war. Ihre Mutter – das war Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, die Ehefrau des Hitlerattentäters.

Für das Krankenhaus war der Besuch der jüngsten Stauffenberg-Tochter ein großer Tag. Nicht nur der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Eckart Frantz begrüßte den Gast, sondern mit der betagten Schwe ster Ulla Grobe und Dr. Werner Schrank, dem Sohn des damaligen Chefarztes, auch zwei Zeitzeugen. Unter dem Motto „Die geheime Taufe“ wurden in einer Andacht und einem Gespräch die Geschehnisse des Jahres 1945 wieder lebendig.

Wie Konstanze von Schulthess-Rechberg berichtete, wurde sie gleich dreimal getauft. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes ließen sowohl die Schwester als dann auch die Mutter den Säugling nottaufen. Nach der Genesung fand am 12. April 1945 durch den Hausgeistlichen Pater Friedrichs eine offizielle Taufe auf den Namen Konstanze Schank statt, wobei Chefarzt Dr. Schrank Pate stand. Nach Kriegsende hat der Pater in einer Erklärung gegenüber dem Bischofsamt Berlin die wahre Identität von Mutter und Tochter klargestellt.

Als die Gestapo am 5. Februar 1945 eine „Frau Schank" mit ihrem am 27. Januar geborenen Töchterchen einlieferte, wusste das Personal des Krankenhauses nicht, um wen es sich wirklich handelte. Nach der Erschießung ihres Gatten war die schwangere Frau festgenommen und monatelang im KZ Ravensbrück in Einzelhaft gehalten worden. Schwer erkrankt, sollte Nina von Stauffenberg nach der Geburt ihrer Tochter mit einem Gefangenentransport aus Frankfurt (Oder) nach Berlin verlegt werden, der aber wegen anhaltender Luftangriffe nach Potsdam umgeleitet wurde. Nina von Stauffenberg, über die ihre Tochter in diesem Jahr eine Biographie veröffentlicht hat, äußerte später, sie habe selten so viel Menschlichkeit und Güte erfahren wie im St. Josefs- Krankenhaus.

Die Schwestern sprachen bald mit Hochachtung von der stets freundlichen , Würde ausstrahlenden Patientin. Für sie war es „rätselhaft, warum diese Dame, die so ganz anders war, unter Polizeiaufsicht stand, aber sie sagte nichts, was sie hätte verraten können", berichtete Stationsschwester M. Emetria. Die Gestapo wies an, dass „Frau Schank ohne ihre Zustimmung keine Post empfangen oder absenden dürfe, das Krankenhausgelände nicht zu verlassen habe und alles, was Mutter und Kind benötigten, ginge durch ihre Hand “ Außerdem verhängten sie ein Kontaktverbot zu Vetter Clemens von Stauffenberg und seiner Frau Elisabeth, die ebenfalls im St. Josefs-Krankenhaus lagen. „Irgendwie gelang es ihr doch, mit ihm zu sprechen“, schreibt Schwester Emetria.

Auf der Veranstaltung in den überfüllten Konferenzräumen des Krankenhauses würdigte Konstanze von Schulthess- Rechberg die Rolle von Melitta Gräfin Schenk von Stauffenberg, der Schwägerin ihrer Mutter. Die Flugzeugtechnikerin, die zahlreiche neue Navigations- und Steuersysteme entwickelte und als Pilotin unter anderem in 2500 Sturzflügen mit Junkers-Maschinen selbst erprobte, nutzte ihre Privilegien, um ihrer Schwägerin zu helfen. Seit 1944 leitete sie die Versuchsstelle für Flugzeugsondergeräte in Berlin-Gatow und hatte es so nicht weit zum Potsdamer Krankenhaus. Zwar war auch Melitta nach dem Hitler-Attentat in Sippenhaft genommen, aber bald wieder als „kriegswichtig“ entlassen worden. Resolut setzte sie durch, dass sie ihre Schwägerin und deren Tochter regelmäßig im Krankenhaus besuchen durfte. Mit dem Rad brachte sie für sie und Vetter Clemens Kleidung, Gebäck und das Fleisch von Kaninchen mit, die sie selbst auf dem Flughafengelände erlegt hatte.

Wer die geheimnisvolle Patientin war, hatte Chefarzt Dr. Hans Schrank schon bald durch Bekannte erfahren. Er sagte ihr jegliche Unterstützung zu. So konnte sie die Fürsorge des katholischen Krankenhauses bis April genießen. Erst als die Gestapo am Tag der Taufe sie und das Kind abholte, gab sie ihren wahren Namen preis. Monatelang wartete Schwester Emetria auf eine Nachricht. Dann schrieb Nina von Stauffenberg aus Württemberg, dass „sie und alle fünf Kinder gerettet“ worden seien. Die Pflege von Mitgliedern der Familie von Stauffenberg im Jahr 1945 wird auch in der Chronik ihren Platz finden, die für das 150-jährige Bestehen des St. Josefs-Krankenhauses im Jahr 2012 vorbereitet wird, erklärte Prof. Frantz. Mit dem Stadthistoriker Hartmut Knitter begleitete er den Gast gestern beim Besuch von Potsdamer Stätten, die mit dem Widerstandskampf Stauffenbergs verbunden sind.

Erhart Hohenstein

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