Homepage: Kontrast zur Umgebung
Kunst von Studierenden im Foyer der Universität in Griebnitzsee ausgestellt
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Ein wenig erinnert die Skulptur von Ellen Szymanski an ein ungekämmtes Stachelschwein. Zwar strecken sich bei dieser zahlreiche Florettklingen lang und dünn von einem Metallquader ausgehend vage in dieselbe Richtung, deshalb gleichgerichtet zu nennen sind sie dennoch nicht. Zumindest in der Draufsicht kreuzen sich die Klingen noch immer, auch wenn ihnen längst keiner mehr „en garde!“ zuruft und sie niemals mehr als verlängerte Arme zweier Duellanten dienen werden.
Zu sehen ist das Kunstwerk derzeit im Rahmen der Werkstattschau „Fragment“ in Griebnitzsee. Just in jenem Lichthof, dem die Vergangenheit derart ins Gesicht geschrieben ist, dass er bekanntermaßen in István Szabós „Mephisto“ als Kulisse für Nazi-Palast-Szenen dienen konnte. Inmitten einer Architektur also, die dank ihrer Sucht nach symmetrischer Perfektion in einem solchen Maß unfragmentarisch ist, dass sie selbst durch einen das Gebäude inzwischen hinterrücks erdolchenden Anbau rein gar nichts Bruchstückhaftes zu erhalten vermag. Gerade deshalb kommen die elf „Fragment“-Kunstwerke von Studierenden aus dem Grundstudium im Studiengang Kunst in Lehrämtern durch ihren Kontrast zur Umgebung besonders zur Geltung – selbst wenn die ausgestellten Werke glücklicherweise gar keine Fragmente geblieben, vielmehr fertige Objekte geworden sind.
Wie Claudia Güttner, Mitarbeiterin im Fach Kunst in Lehrämtern an der Universität Potsdam erklärt, geht es bei der Ausstellung in erster Linie um die Umsetzung des Potsdamer Konzeptes zur Ausbildung von Kunstlehrern. Diese sollen sich, so die Idee, zuerst einmal selbst in einen künstlerischen Prozess einbringen, bevor sie zukünftig ihren Schülern vermitteln können, was ein Künstler eigentlich so tut. Dabei sei es auch wichtig, dass die künftigen Lehrer ihr Projekt von der Idee bis zur Umsetzung zu Ende gebracht und somit etwas hergestellt hätten, das eben nicht fragmentarisch blieb. Die Werke entstanden im Rahmen des Grundkurses Plastik und Skulpturen, den die Studierenden bis zum vierten Semester besucht haben müssen. Hierbei stand ihnen offen, ob sie in antragender Technik, das hieß durch Verschweißen von Metall, oder in abtragender Technik, in diesem Fall mit Gips überzogenem Styropor, arbeiteten. Oft genug verlange dieser Kurs erstmals einen kompletten künstlerischen Schaffensprozess im Bereich raumgreifender Kunst, erläutert Claudia Güttner.
Fragmentarisch sind die Skulpturen jedoch auf anderer Ebene, eröffnen sie durch ihre offene Formsprache dem Betrachter viel Spielraum für Interpretation. Katja Fülles „Hand“ beispielsweise. Bei der Skulptur der Studentin sind nur vereinzelt Fingerglieder in Form ovaler Metallscheiben zwischen je zwei Stäbe angeschweißt. Was zu sehen ist, erinnert an ausgemergelte Finger, die sich verzweifelt nach oben recken. Auch Sabine Zeißlers „Schlange“ ist fragmentarisch. Das schlichte Reptil ist aus drei ineinander steckenden großflächigen Metallplatten gefertigt. Diese, scharfkantig und angerostet, widersprechen fundamental der Vorstellung von geschmeidig gleitenden Kriechtieren.
Vollkommen in sich abgeschlossen ist Stefanie Duchs „schlafender Vogel“. Die einzige abtragend entstandene Arbeit der Ausstellung ist eigentlich nur eine kauernde Gipsschleife. Zwar erhielt sie von ihrer Schöpferin eine in sich bemerkenswert harmonische Form, die jedoch offen lässt, um was genau für ein Tier es sich hier handelt – ein Schwan vielleicht? Möglicherweise aber auch eine Gans könnte hier Modell gesessen haben. Da sich die jungen Künstler klarer Aussagen enthalten, ist bei den Werken der Name oft genug einziger Anhaltspunkt zur ersten Orientierung.
Ellen Szymanskis fragile Skulptur entzieht sich sogar hier und bleibt namenlos. Eine ihrer Florettklingen wurde abgebrochen und die Spitze verschämt auf dem Sockel abgelegt. Die materielle Fragmentierung hat begonnen.
Die Ausstellung „Fragment“ ist noch bis zum 8. Februar am Uni-Campus Griebnitzsee, August-Bebel-Str. 89, Haus 1 (Foyer) zu sehen. Werktags 8 bis 20, sonnabends 8 bis 13 Uhr.
Moritz Reininghaus
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