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Sport: Kontrolliertes Wunder
Martin Kaymer gewinnt mit ungekannter Souveränität im Spiel die US-Open der Golfprofis
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Kein Gedanke an die Trophäe, an den Sieg, an die Feier danach: Nichts war für Martin Kaymer am Sonntag so schwer zu handhaben wie die Versuchung, zu früh an seinen zweiten Major-Erfolg zu glauben. Am Ende aber kontrollierte der 29-Jährige auf dem Platz von Pinehurst Nummer 2 nicht nur sein Spiel, sondern auch seine Emotionen. Kaymers deutlicher Sieg mit einem Endergebnis von neun unter Par jedenfalls war im Verlauf seiner 69er Runde nie gefährdet.
Für so manchen unbedarften Beobachter wirkt dieser mit knapp 1,2 Millionen Dollar dotierte Triumph tatsächlich wie ein Wunder. Schließlich war der Düsseldorfer, der 2010 die US-PGA-Championship gewann und im Jahr 2011 die Weltrangliste anführte, in den Jahren 2012 und 2013 weitgehend erfolglos. Und nun dies: Zuerst der Sieg bei der Players Championship im Mai in Florida, jetzt der Erfolg bei der US Open.
Nie zuvor hat ein Kontinentaleuropäer dieses Turnier gewonnen. Sein Ergebnis von neun unter Par mit acht Schlägen Vorsprung auf die geteilten Zweiten Erik Crompton und Rickie Fowler bedeutet den vierthöchsten Sieg in der Geschichte des Turniers. Die Auftaktrunde von 65 Schlägen am Donnerstag war die beste, die ein Spieler jemals abgeliefert hat. Kaymer legte am Freitag dann noch einmal nach und wiederholte die 65. Er führte das Feld nach dem ersten Tag mit drei Schlägen an, mit sechs Schlägen nach dem zweiten, mit fünf nach dem dritten und baute seinen Vorsprung am Sonntag aus auf acht Zähler. 16 Birdies und ein Eagle waren Teil dieser viertägigen Serie. „Ich frage mich, wie er das gemacht hat“, sagte Rory McIlroy. „Das ist extrem schwierig. Ich glaube, ich habe in der ganzen Woche nur neun Birdies gemacht.“
Das System Kaymer aber machte es möglich. Es setzte sich im Verlauf einer Woche zusammen aus einer Vielzahl von Details. Der makellose Drive, der perfekte Eisenschlag ins Grün – kein Zweifel saß dem Deutschen beim Schwung im Nacken. Am Sonntag etwa schlug er am dritten Loch einen Drive über 270 Meter direkt aufs Grün des kurzen Par 4-Loches. Von da aus war das Birdie Pflicht.
Vor allem aber ließ er sich nicht ein in diesen Kampf der Gewalten mit einem Platz, der in der Regel nur ein Opfer kennt – den Spieler. Nirgendwo sonst sind die Plätze härter, fällt die Bestrafung für schlechte Schläge größer aus als bei diesem Turnier. Die Herangehensweise des Deutschen an das Problemfeld war untypisch, aber effektiv. Das Chippen, ohnehin der schwächste Teil seines Spiels, ersetzte der 29–Jährige vier Tage lang nahezu komplett durch lange Putts auch aus dem Grünumfeld. „Ich bin immer gut mit Putts vom Vorgrüns gewesen“, bilanzierte Kaymer, „außerdem glaube ich, dass ein schlechter Putt immer noch besser ist als ein schlechter Chip.“
Ein Doppelbogey jedenfalls kassierte der nunmehr zweifache Majorsieger vier Runden lang nicht. Derweil verhedderte sich nicht nur sein Mitspieler Rickie Fowler in zu aggressivem Spiel. „Ich hatte mir das so vorgestellt, dass ich rausgehen würde und auf den ersten Neun ein paar Schläge unter Par spielen würde, um ihm Druck zu machen“, resümierte der Amerikaner im Anschluss seine 72er Runde. „Das wurde dann sehr schnell dadurch zunichte gemacht, dass ich an Bahn vier sofort ein Doppelbogey kassierte.“ Kaymers zweiter Majorsieg hat mit seinem ersten Erfolg aus dem Jahr 2010 wenig gemein: Damals kam der Erfolg völlig unerwartet. „Ich habe von mir überhaupt nicht erwartet, dass ich mit 25 Jahren ein Major gewinne“, erinnerte er sich am Sonntag. „Ich war selbst erstaunt über mich.“ Der Rummel um seine Person hat ihn lange überfordert. „Ich konnte mit vielen der Dinge, die in Deutschland passierten, nicht umgehen“, gab er zu.
Der zweite große Sieg innerhalb von sechs Wochen, hat die Diskussion darum, ob Kaymer derzeit der weltbeste Spieler ist, bereits wieder in Gang gebracht. Fest steht, dass sich der Deutsche, dessen erstklassige Leistung in Pinehurst durch einen zwölften Platz von Marcel Siem und Rang 60 von Alex Cejka abgerundet wurde, in der Weltrangliste vorgearbeitet hat auf Position elf und seinen Platz im europäischen Ryder Cup Team für den Kontinentalwettkampf gegen die USA so gut wie sicher hat.
Eine Woche noch, dann wird Martin Kaymer im Rahmen der International Open im Golf Club Gut Lärchenhof bei Köln wieder konfrontiert werden mit jenem Hype um seine Person, der ihn noch vor drei Jahren in eine größere Krise trieb. Diesmal, so sagt der 29-Jährige, werde alles anders: „Wenn ich nach Hause zu meinem nächsten Turnier in Köln komme, werde ich diesen Pokal bis zu meinem ersten Schlag am Donnerstag bei mir tragen und noch mehr für den Golfsport werben als bisher. Ich empfinde es einfach nicht mehr als anstrengend.“
Die Strategie für die nächsten Wochen scheint jedenfalls klar: Die Kontrolle über sich und sein Spiel will Kaymer nicht noch einmal abgeben.
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