Interview: „Konzept gut, Umsetzung mangelhaft“
Volker Krane vom Vorstand des Automobilclubs ADAC Berlin-Brandenburg über die schwierige Verkehrssituation in Potsdam, die aus seiner Sicht untauglichen Pförtnerampeln und die Probleme beim Umsetzen von eigentlich sinnvollen Ideen
Stand:
Herr Krane, warum steht man in Potsdam als Autofahrer so oft im Stau?
Zum einen ist die Potsdamer Innenstadt wegen der Insellage ohnehin nur über wenige Strecken zu erreichen. Zum anderen muss die Stadt als Landeshauptstadt und Tourismus-Magnet auch noch überdurchschnittlich viel Verkehr verkraften. Und alle, die hinwollen, wollen auch wieder zurück. Dazu kommen noch die rund 25 000 Studenten an der Universität, der Fachhochschule und der Filmhochschule. Weil nur ein geringer Anteil des Aufkommens, etwa fünf Prozent, Durchgangsverkehr ist, gibt es zudem kaum Möglichkeiten, die Stadt durch eine Umfahrung zu entlasten. Verschärft wird die Situation außerdem durch die jahrelange Vernachlässigung bei der Straßeninstandhaltung. Wir gehen von einem Sanierungsstau von etwa 25 Millionen Euro aus. So etwas abzuarbeiten, erzeugt naturgemäß viele Baustellen, auch wegen der akuten Straßenschäden aus dem Winter.
Für Unmut sorgen vor allem im Potsdamer Umland die sogenannten Pförtnerampeln. Im Erholungsgebiet Geltow etwa hat man wegen des kilometerlangen Rückstaus bereits Angst um die Einhaltung der Grenzwerte für die Schadstoffbelastung. Was läuft da schief?
Pförtnerampeln sind in meinen Augen als isolierte Maßnahme völlig untauglich. Und eigentlich wissen das auch alle. Wir haben schon in der Planungsphase, also bei der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes Verkehr, die Stadt darauf hingewiesen, dass Pförtnerampeln grundsätzlich in ein Gesamtmaßnahmen-Paket eingebunden werden müssen. Dazu gehören kontinuierliche intelligente Steuerung des Verkehrsflusses mit Grünen Wellen, die Schaffung von Park & Ride-Plätzen und die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs. Pförtnerampeln verlagern die Umweltprobleme der Stadt lediglich ins Umland. Die entscheidende Frage ist allerdings, ob die EU-Vorgaben zu den Grenzwerten für Feinstaub, Kohlendioxid und Stickstoffdioxid überhaupt realistisch sind. Die Städte schaffen es selbst unter strengsten Auflagen nicht, die Grenzwerte einzuhalten. Das kann man auch an Berlin sehen.
Wie sinnvoll wäre aus Ihrer Sicht ein gemeinsames Verkehrskonzept von Potsdam und Potsdam-Mittelmark?
Wir unterstützen vernetzte Vorgehensweisen generell. Die Region muss sich einfach als gemeinsamer Ballungsraum verstehen; mit gemeinsamen Interessen, aber auch mit gemeinsamen Problemen. Sie können aber in Ballungsräumen keine Insellösung schaffen. Das Beispiel Pförtnerampel zeigt ja auch, wo das hinführt. Dies gilt umso mehr, da in Potsdam der größte Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen regionaler Verkehr ist.
Lässt sich der Verkehrsfluss durch eine bessere Ampelschaltung optimieren?
Auf jeden Fall können verbesserte Ampelschaltungen hilfreich sein. Allerdings muss man erst mal klären, was man unter Optimierung eigentlich versteht. Grüne Wellen und verkehrsabhängig programmierte Ampeln sorgen für einen flüssigen Verkehrsablauf. Und ein flüssiger Verkehr ist der umweltschonendste Verkehr. Pförtnerampeln machen genau das Gegenteil, sie sperren ab. Im Grund kommt man sich vor wie im Mittelalter, wenn man vor einer hochgezogenen Zugbrücke steht. Die waren aber dafür da, Feinde abzuwehren – und ich gehe davon aus, dass die meisten, die nach Potsdam wollen, keine Feinde der Stadt sind.
Was halten Sie von den sogenannten Fahrradachsen? Über große Ausfallradwege soll die Potsdamer Innenstadt besser erreichbar werden und so der Verkehrsdruck zusätzlich gesenkt werden.
Fahrradachsen sind ein sinnvolles Hilfsmittel. Allerdings nur, wenn sie sich in ein Gesamtkonzept integrieren. Für Berlin haben wir bereits konkrete Vorschläge gemacht. Wir bieten auch der Stadt Potsdam unsere Hilfe an. Wichtig bleibt jedoch ein schlüssiges Gesamtkonzept, das sowohl Auto- und Wirtschaftsverkehr als auch ÖPNV und Fahrradverkehr berücksichtigt.
Einer Viadrina-Studie zufolge würden viele Pendler in Potsdam lieber Bus oder Bahn anstatt des Autos nutzen. Viele sind aber mit der Leistung des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt nicht zufrieden. Wie schätzen Sie die Wechselbereitschaft der Autofahrer ein?
Die Studie ist uns bekannt. Die Wechselbereitschaft der Autofahrer steigt mit der Attraktivität des Nahverkehrs. Das geht aber nicht zum Nulltarif, was auch den Verantwortlichen der Stadt klar sein muss. Wer sowohl die Qualität der Mobilitätsangebote als auch die Aufenthaltsqualität verbessern will, der muss investieren. Das steht zwar so auch im Stadtentwicklungskonzept, muss aber auch endlich nachhaltig umgesetzt werden. Die Ursache der Verkehrsprobleme ist ja die Attraktivität der Stadt, also etwas grundsätzlich Positives. Es geht also weniger um die Wechselbereitschaft als viel mehr darum, den Menschen, die nach Potsdam fahren wollen, möglichst gute und verträgliche Lösungen anzubieten. Wichtig ist dabei, dass die Entscheidungsfreiheit erhalten bleibt. Eine einseitige Politik zulasten des motorisierten Individualverkehrs lehnen wir ab. Zumal alle Szenarien zeigen, dass der ÖPNV auch auf lange Sicht nicht annähernd die Beförderungskapazität des motorisierten Individualverkehrs erreichen wird.
Die SPD der Stadt will nun prüfen lassen, ob man Straßenbahnen auf herkömmlichen Gleisen bis ins Umland fahren lassen kann. Macht das den ÖPNV attraktiver?
Ja, warum nicht? Das Konzept der Regio-Tram wird in Karlsruhe, Kassel und Chemnitz beispielsweise schon erfolgreich umgesetzt. Es könnte auch für Potsdam Sinn machen. Zum Beispiel könnte man die Gleise der Regionalbahn nach Golm nutzen. Die Konzepte sind aber in der Tat nicht ganz unaufwendig. Straßenbahnen fahren mit Gleichstrom, Regionalbahnen mit Wechselstrom oder Diesel. Aber die Idee ist nicht ganz schlecht. Aber auch nicht von heute auf morgen umsetzbar und auch nicht überall.
Die CDU setzt dagegen lieber auf flächendeckend Tempo 30, Fußgängerzonen und Wassertaxis. Hilft das?
Tempo 30 ist keine Lösung. Welches Problem wollen Sie damit behandeln? Die Verkehrsmenge wird nicht reduziert. Der Verkehrsfluss wird nicht verbessert. Die Umwelt wird belastet. Sie lösen mit Tempo 30 auch kein Parkproblem. Insgesamt ist Tempo 30 keine geeignete Maßnahme. Der Autoverkehr wird lediglich erschwert. Fußgängerzonen hat Potsdam schon. Wir denken, dass das ausreicht. Zudem sind solche Zonen auch nicht immer im Sinn der Gewerbetreibenden. Außerdem führt eine Ausweitung einer Fußgängerzone eher zu einer Verkehrsverdichtung, verlagert das Problem also mehr, als dass es gelöst wird. Wassertaxis können im Einzelfall sinnvoll sein. Der Bosporus ist ein Beispiel, in Lissabon gibt es ebenfalls ein wundervolles Wassertaxi. In der Regel sind Wassertaxis wegen der Fahrzeiten und der Parkproblematik an den Anliegestellen aber keine echte Lösung.
Was würden Sie der Stadtverwaltung empfehlen?
Das aktuelle Konzept ist ja eigentlich gar nicht so schlecht, etwa bei Ertüchtigung des öffentlichen Nahverkehrs oder beim Park & Ride-Ausbau. Es hilft aber nicht, wenn man ständig nur Konzepte schreibt. Die müssen auch umgesetzt werden und das kostet nun auch mal Geld. Also, Konzept gut, Umsetzung mangelhaft. Potsdam sollte weiter konzentriert am Stadtentwicklungskonzept arbeiten. Dabei ist die Reihenfolge der Maßnahmen entscheidend. Zuerst muss der ÖPNV entwickelt werden. Dazu gehören auch Park & Ride-Plätze, attraktive Tariflösungen, damit gerade die Pendler einen Sinn im Umstieg auf den ÖPNV sehen. Das Ganze muss natürlich auch mit einer Informationskampagne begleitet werden. Allerdings wollen die Bürgerinnen und Bürger in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht gegängelt werden. Einseitige Maßnahmen zulasten des Autos werden nicht akzeptiert. In Brandenburg wird aus dem Mobilitätsproblem leicht ein soziales. Die Menschen aus den ländlichen Regionen sind auf das Auto angewiesen, um ihre Arbeitsplätze zu erreichen.
Das Interview führte Matthias Matern
Volker Krane spricht am heutigen Montag auf dem Wirtschaftsforum Brandenburg zum Thema „Pendeln im Ballungsraum Berlin-Brandenburg – Probleme und Lösungsansätze“. Das Forum beginnt um 18 Uhr im Dorint Hotel Sanssouci.
Volker Krane (47) ist seit 2011 Vorstand Verkehr beim ADAC Berlin-Brandenburg. Hauptberuflich arbeitet Krane als Rechtsanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Neuruppin.
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