Landeshauptstadt: „Konzern Gesundheit“ soll wachsen
Stadt will Scholl-Seniorenheim an Klinikum verkaufen / Neubau mit 100 Pflegeplätzen geplant
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Brandenburger Vorstadt / Innenstadt - Das Klinikum Ernst von Bergmann will das einzige städtische Seniorenheim kaufen und in einem Neubau bis zu 100 neue Heimplätze schaffen. Das sagten gestern Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller (parteilos) und Klinikum- Geschäftsführer Wilhelm Kahle vor der Presse. Mit dem Kauf des Geschwister- Scholl-Heims in der Brandenburger Vorstadt, das derzeit 40 stationäre Pflegeplätze und 20 Plätze für betreutes Wohnen bietet, wolle das Klinikum seinen Wandel zum städtischen „Konzern Gesundheit“ abrunden, sagte Kahle. Für das Scholl-Heim soll eine Klinikum-Tochtergesellschaft gegründet werden – die dritte neben dem Gesundheitszentrum Potsdam mit 20 Arztpraxen und 120 Mitarbeitern für die ambulante Versorgung sowie der Gesundheitsservicegesellschaft. Die Service-Tochter war Anfang des Jahres als Dienstleister für das Klinikum gegründet worden. Insgesamt habe der „Konzern Gesundheit“ nun rund 2000 Mitarbeiter, so der Geschäftsführer.
Mit dem Kauf des Scholl-Heims soll sich daran nichts ändern: „Ich schließe betriebsbedingte Kündigungen aus“, sagte Kahle. Die 35 Mitarbeiter des Heims seien gestern über die Pläne informiert worden. Für sie bedeute die Zugehörigkeit zum Klinikum Zukunftssicherheit, meinte Sozialbeigeordnete Müller. Jahrelang war über einen Verkauf des vor fünf Jahren mit Fördergeldern des Landes sanierten Heims diskutiert worden, zuletzt sprachen sich auch Wirtschaftsprüfer dafür aus. Derzeit schreibe das Scholl-Heim zwar keine roten Zahlen, erwirtschafte aber nur einen kleinen Überschuss, sagte Müller. Mit diesem Geld wären Investitionen in Qualitätsstandards nicht möglich, und auch die Stadt könne dafür nicht aufkommen. Das soll nun das Klinikum übernehmen – indem bis zu 100 neue Pflegeplätze wahrscheinlich in einem Neubau eingerichtet werden. Wie viel Geld dies kostet, wollte Kahle nicht sagen. Ebenfalls offen ist, wo gebaut werden soll. Es seien Grundstücke in der Prüfung, sie sollten sich in der Nähe des Heims in der Geschwister-Scholl-Straße oder des Klinikumstandorts In der Aue befinden.
Grund für das neue Pflegeheim ist zum einen der Bedarf an „bezahlbarer“ stationärer Pflege. Für das Scholl-Heim gebe es ständig Wartelisten, so Müller. Ein Tag Betreuung und medizinische Versorgung koste dort für Patienten in der Pflegestufe 3 (schwer pflegebedürftig) 82,56 Euro – dies sei „bezahlbar“. Gleiches wollten Stadt und Klinikum auch mit den neuen Pflegeplätzen bieten, eine „Luxus-Seniorenresidenz“ sei ausgeschlossen. Dazu sieht Müller die Stadt in der Pflicht: Es könne nicht sein, dass Menschen im Alter zu Sozialhilfe-Fällen würden, weil sie die Pflege nicht bezahlen könnten. Die Stadt müsse Plätze vorhalten. Insgesamt gibt es in Potsdam 1241 Pflegeplätze.
Andererseits soll das neue Pflegeheim dem Klinikum einen rentablen Betrieb ermöglichen. Es sei wegen der hohen Kosten nur möglich, ein Pflegeheim „betriebswirtschaftlich“ zu führen, wenn es mehr als 100 Pflegeplätze gebe, so Müller. Für Kahle sind Kauf und Neubau „logische Konsequenz“ aus dem Gutachten der Unternehmensberatung McKinsey für das Klinikum. McKinsey hatte der Stadt empfohlen, das Klinikum nicht zu verkaufen – aber es soll innerhalb von drei Jahren wirtschaftlicher und effektiver arbeiten. Dazu gehöre ein Rund-um-Angebot von der Ambulanz bis zum Pflegeheim. Über den Kaufpreis für das Heim ist Stillschweigen vereinbart – es sei aber ein durch Gutachter belegter „marktgerechter Preis“, so der Klinikum-Chef.
Welches spezialisierte Angebot das neue städtische Pflegeheim machen wird, ist noch offen. Sie wünsche sich ein Heim für Menschen, die aufgrund von Demenzerkrankungen gerontopsychiatrisch betreut werden müssen, sagte Müller. Diese hätten ein großes Bedürfnis zu laufen, dürften dabei aber nicht verloren gehen – ein Heim mit dafür geeigneter Architektur gebe es in Potsdam nicht. Über das Konzept könne aber erst entschieden werden, wenn die Stadtverordneten dem Verkauf zustimmten. Dies soll Anfang Dezember geschehen. 2007 könnten dann Konzept und Baupläne stehen, so Kahle.
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