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Konzentrierter Schnitt. Die Filmstudentin Trang Thi Thu Nguyen aus Vietnam ist in ihrem Studium an der HFF zur Expertin für HD-Technik geworden. Beim Filmschnitt hat sie einen eigenen Stil entwickelt. Sie konzentriert sich nicht nur auf die Worte, sondern auch auf die Körpersprache.

© Andreas Klaer

Von Undine Zimmer: Körpersprache zählt

Die Filmstudentin Trang Thi Thu Nguyen setzt an der HFF Potsdam neue Maßstäbe in der Film-Montage

Stand:

Als Trang Nguyen das erste Mal vor dem grauen Glas und Betonbau der Potsdamer Filmhochschule HFF in Babelsberg stand, war sie von der Architektur enttäuscht. Der Bau erinnerte sie an einen Flughafen, unpersönlich und unübersichtlich. Zwei Jahre später traf sie die Entscheidung, sich als Studentin der Film-Montage in Potsdam zu bewerben. Was die Qualität der Lehre angeht haben sich Trangs Erwartungen erfüllt. Die HFF kann ihrerseits stolz sein auf die Vietnamesin, die am 16. Juli dieses Jahres mit dem DAAD-Preis für ihren besonderen Schnitt und ihr Engagement im Bereich der HD-Technik ausgezeichnet wurde. Trang arbeitet mit ihrem Team mit den ersten Testversionen von HD-Kameras. Als Expertin auf diesem Gebiet wird sie nicht nur von Studenten ihres Faches, sondern auch von Mitarbeitern anderer Bereiche zu Rate gezogen.

Eigentlich war Potsdam, als sie 2005 ihre Bewerbung losschickte, nur ihre zweite Wahl. Trang wollte ursprünglich in Großbritannien studieren. Von der HFF hörte sie zum ersten Mal 2003, während eines Auslandsaufenthalts am Goethe-Institut in Hannover. Dort war sie für das Kultur- und Filmprogramm tätig.

Das Besondere, das Trang bei der Filmmontage in Filme hineinarbeitet, ist auch von ihrer Herkunft geprägt. „Wenn ich schneide, dann konzentriere ich mich nicht nur auf die Worte“, erzählt sie. Besonders schwierig werde es, wenn sie mit Dialekten arbeiten muss. „Ich bewerte Schauspieler viel mehr nach ihrer Körpersprache“, so die Studentin. Dadurch bewerte sie auch die Emotionen anders als die Regie. „Aber wir treffen uns meistens recht gut in der Mitte.“

Die Zuschauer fordert Trang zum Mitdenken auf. Sie möchte Chronologien aufbrechen. „Es wird mir sehr oft gesagt, dass mein Schnitt fragmentiert und sehr grafisch ist.“ Am Ende sollen die Zuschauer die Teile des Films jedoch selbst wieder zusammensetzen können.

Während Trang mit ihren Kommilitonen im Alltag gut zurecht kommt, werden die unterschiedlichen kulturellen Perspektiven gerade in der Arbeit an den Film-Projekten sichtbar. Vor allem, wenn es um persönliche Meinungen und Haltungen geht, kommt es leicht zu Missverständnissen. Auch wenn Trang die deutsche Sprache mittlerweile sehr gut versteht, leuchtet ihr manchmal die Logik hinter den Worten nicht sofort ein. „Es sind Kleinigkeiten“, sagt sie. Zum Beispiel gibt es in ihrem Diplomfilm „Andererseits“ eine Szene mit einer Frau im Supermarkt. Sie benimmt sich immer dann merkwürdig, wenn sie von anderen beobachtet wird. An einer Stelle steckt sie aus Verlegenheit eine Dose Champignons in ihre Tasche. Trang hat sich über diese Handlung keine Gedanken gemacht und die Szene so gelassen. Doch später musste sie die Szene wieder rausschneiden. Der Regisseur war besorgt, dass die Figur sonst wie eine Diebin wahrgenommen werde, was nicht in die Geschichte gehörte. Daran hatte Trang gar nicht gedacht. „Bei uns benutzt man zwar auch Einkaufskörbe, man kann die Waren aber auch in die eigene Tasche stecken und bezahlt sie trotzdem an der Kasse. Das ist normal. Es ist sowieso alles so gut überwacht, dass keiner ans Klauen denkt.“

Auch Trang benimmt sich ihrer Mutter zu Liebe schon mal ungewöhnlich im Supermarkt. „Man sollte dort eigentlich keine Fotos machen, aber meine Eltern haben immer Angst, dass ich nicht genug gutes vietnamesisches Essen bekomme. Also schicke ich ihnen Bilder vom Markt, von den Früchten und dem Gemüse, von mir im Restaurant oder in der Dönerbude. Natürlich auch von meiner Wohnung. Sie wollen alles darüber wissen, wie ich hier lebe.“

Trang und ihre Eltern kommen aus dem Norden Vietnams, aus der Nähe von Hanoi. Die Kluft zwischen den Nordvietnamesen und Südvietnamesen ist auch im Ausland nicht zu überwinden, erzählt sie. „Es gibt eigentlich drei Gruppen von Vietnamesen in Deutschland“, erklärt die Studentin. Die erste Gruppe kam aus dem Norden  als Vertragsarbeiter in die DDR. Sie betreiben heute Restaurants, Bistros und Blumenläden. Die zweite Gruppe ist aus dem Süden und kam nach 1975 aus politischen und ideologischen Gründen nach Deutschland. „Eine neue Gruppe sind wir Studenten, wir sind nach dem Krieg geboren und nach der Wende nach Deutschland gezogen. Wir haben weniger Berührungsängste, trotzdem verstehen wir die andere Gruppe nicht ganz.“

Ob sie auch später in Europa arbeiten wird, weiß die Cutterin noch nicht genau. Sicher ist jedoch, dass sie gerne wieder an Filmen über Vietnam arbeiten würde. Der Dokumentarfilm „Tage des Regens“ ist ein solcher Film, ein Sonderprojekt der HFF, an dem Trang zusammen mit Andreas Hartman gedreht hat. Der Film wurde bereits 2010 auf dem Festival Cinéma du Réel gezeigt und nun zum Real-Asian-Filmfestival in Toronto eingeladen.

Ganz sicher ist sich Trang Nguyen, was sie mit den 1000 Euro DAAD-Preisgeld machen wird: einen weiteren Fotofilm. Dabei sollen unbewegte Bilder nur durch die Hintergrundgeräusche und die gesprochene Sprache zum Leben erweckt werden. „Der Zuschauer soll den Eindruck bekommen, dass sich die Bilder bewegen. Je länger er auf die Bilder schaut, desto mehr Details fallen ihm auf. Mit dieser Technik möchte ich gerne weiter experimentieren.“

, ine Zimmer

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