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Zu zweit am Herd: Annett Schramm (links) und Anke Fröbel betreiben seit 2009 den Caterservice „Kleinkost“. Sie beliefern Kindergärten und eine Schule mit ihrem Bioessen. Soweit es möglich ist, sollen die Zutaten dafür aus der Region stammen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Kost im kleinen Maßstab

Anke Fröbel und Annett Schramm kochen für 550 Kita-und Schulkinder regionales Bioessen. Das Geschäft könnte boomen, aber das soll es gar nicht

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Die „Kleinkost“ ist ganz unauffällig. Ein feiner grüner Schriftzug, ein lachendes Kindergesicht mit Kochmütze an der Fensterzeile im Erdgeschoss eines Bürogebäudes in der Zeppelinstraße - mehr nicht. In einem Hinterraum aber kochen die Inhaberinnen Anke Fröbel und Annet Schramm jeden Morgen 550 Portionen Bioessen für Kinder aus Potsdam und Werder. Die zierliche Schramm füllt die Vollkornnudeln und die Fencheltomatensoße in metallene Behälter, die in schwarzen Styroporboxen verpackt und so warm gehalten werden. Beide Frauen haben es an diesem Vormittag eilig. Die Fahrer, die das Essen in die vierzehn Kitas bringen sollen, warten schon und laden die ersten Boxen in ihre Lieferwagen.

Szenenwechsel: Auf dem Caterer-Workshop, den die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Anfang der Woche veranstaltet, ist das Forum zur Verwendung regionaler Produkte gerammelt voll. Nach den neuerlichen Fleisch-und Eierskandalen ist Regionalität auch in der Schulspeisung Thema der Stunde. Sodexo ist vertreten, Rewe-Foodservice als Großlieferant, Vertreter aus Schulverwaltungen, die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau. Die großen Caterer wollen den Begriff des Regionalen gerne dehnen bis zum Nationalen. Für die Vertreterin des Terra-Naturkosthandels, Dorothea Schellschmidt, ist das inakzeptabel. „Regional heißt für uns ein Umkreis von 150 Kilometer“, ansonsten gelte die Kennzeichnung Deutschland.

Daran halten sich Schramm und Fröbel mit ihrer „Kleinkost“ schon seit mehr als drei Jahren. Die beiden Quereinsteigerinnen – Schramm, 42, aus der Sozialarbeit, und Fröbel, 36, als Gartenbauingenieurin – verschreiben sich seit 2009 in Potsdam der vorrangig regionalen und saisonalen Bioküche. Das Fleisch kommt von der Müritz, die geschälten Biokartoffeln aus Werder. Mit ihrem Essen beliefern sie 14 Einrichtungen, Kindergärten und die Internationale Grundschule – alle in freier Trägerschaft. Die vielen kleinen Kunden sind Konzept: „Das ist eine ganz persönliche Entscheidung“, sagt die 36-jährige Fröbel. „Wir sind stetig gewachsen, sodass wir das gut stemmen konnten.“ Sie beliefern eher „alternative“ Einrichtungen – Waldkitas, Elterninitiativen, einen Waldorfkindergarten. Nun aber haben sie eine Grenze erreicht, die sie nicht überschreiten wollen.

Nach dem Skandal um die brechreizauslösenden Noroviren in Essen des Großcaterers Sodexo kamen einige Anfragen von Grundschulen und Kindergärten. Sie wollten der industriellen Mittagsversorgung den Rücken kehren. Fröbel und Schramm haben allen abgesagt. Denn gleich mehrere Hunderte neue Kunden kämen einem Quantensprung gleich: Die Küche müsste vergrößert, mehr Personal eingestellt werden. Derzeit beschäftigen sie nur eine Abwaschhilfe. Oder eine weitere Filiale müsste her. Fröbel schüttelt den Kopf: „Das machen wir nicht. Wir sind nicht so die Business-Leute.“ Gewinn sei nicht ihr Anliegen. Bewusst hätten sie auch keine großen Investititonen – außer ihrer eigenen Zeit – getätigt. Den Großteil der Ausstattung hat Fröbels ehemaliger Arbeitgeber, ein Bio-Caterer aus Berlin-Pankow, ihr überlassen.

Dass „Kleinkost“ klein bleibt, hat aber auch handfeste Vorteile: Zum einen kennen Schramm und Fröbel ihre Einrichtungen und bekommen telefonisch regelmäßig Lob oder Kritik zu hören. Zum anderen aber können sie ihre Wareneinstandskosten hoch halten. Das klingt paradox, aber genau darum geht es: Das meiste Geld soll in die Nahrungsmittel fließen und nicht in Küchenpersonal oder Verwaltung. Eigentlich wollten sie das Essen auch noch selber austragen. Aber für täglich nur drei Touren durch die Stadt habe es sich nicht gelohnt, ein Auto anzuschaffen“, das „den Rest des Tages herumsteht“, sagt Fröbel.

Das Lager von „Kleinkost“ sieht aus wie ein Bioladen, regaleweise Produkte aus ökologischem Landbau. „Ich finde Lebensmittel toll, wo möglichst wenig Zutaten drin sind“, sagt Fröbel. Sie und Schramm hat die Liebe zu guter Ernährung und zum Kochen zu „Kleinkost“ geführt. Deshalb bieten sie ihren Einrichtungen auch Kochkurse an. Einmal im Monat kocht eine Ernährungswissenschaftlerin mit Vorschulkindern Vollwertgerichte, die die Saison gerade hergibt. Im Frühjahr etwa steht die Kräutersuppe an.

In den Sommerferien laden Schramm und Fröbel dann manchmal selbst Kindergartengruppen in die Zeppelinstraße ein. Dann stellen sie die Bierbänke auf, die Kinder kochen mit und essen bei ihrem Caterer.

Grit Weirauch

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