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Landeshauptstadt: Kostspielige Lovestory

Mit 160 „Sachen“ vor vermeintlicher Ex-Freundin geflüchtet

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Mit 160 „Sachen“ vor vermeintlicher Ex-Freundin geflüchtet AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Kevin S. (24) wunderte sich am 17. Mai vorigen Jahres nicht schlecht, als er seinen am Hauptbahnhof geparkten roten BMW mit einer riesigen Liebeserklärung verziert vorfand. Im Wageninneren prangten unzählige rote Rosen, ein Sektkübel, dazu passende Gläser. Das konnte nur Anke, die abservierte Ex, fabriziert haben. Kevins neue Freundin ahnte gleich, der blumige Empfang sollte nicht ihr gelten. Rasch schlug des Zivis Erstaunen in Wut um. Er griff zum Handy und machte die Urheberin des romantischen Ensembles zur Schnecke. Dann gab er Gas, schließlich sollte der Abend der Neuen gehören. In der Zeppelinstraße wähnte sich der Potsdamer vom Auto der früheren Partnerin verfolgt. Er drückte ein bisschen stärker als erlaubt „auf die Tube“, um nach Hause zu kommen. Dass er einer Zivilstreife ob seiner rasanten Fahrweise aufgefallen war, dass einer der Beamten ihn per beleuchteter Kelle zu Anhalten aufforderte, will Kevin S. nicht bemerkt haben. Völlig entgangen sei ihm auch – so seine Aussage während der gestrigen Verhandlung vor dem Amtsgericht – , dass er in der Kastanienallee bei rot über die Kreuzung geprescht und einem Auto die Vorfahrt genommen habe. Dessen Fahrer sei dem drohenden Crash nur durch eine Gefahrenbremsung entronnen, erzählen die in jener Nacht als Zivilstreife eingesetzten Polizeibeamten. Allerdings können sie sich weder an Fabrikat noch Farbe des Wagens erinnern. Auf die Idee, nach diesem wichtigen Zeugen einer Straßenverkehrsgefährdung fahnden zu lassen, seien sie nicht gekommen, gesteht Polizeimeister Jens J. (29). Schließlich hätten sie ihre gesamte Kraft und die des nicht eben hoch motorisierten zivilen Opel Corsa in die Verfolgung des BMW investiert, die in der Geschwister-Scholl-Straße abgebrochen werden musste. „Der Angeklagte fuhr mit mindestens 160 Stundenkilometern in Richtung Werderscher Damm. Da konnten wir nicht mehr mithalten“, berichtet der Polizist. Sein Kollege Daniel R. (27) ergänzt: „Ich bin ganz sicher, der Angeklagte hat bemerkt, dass wir ihn anhalten wollten. Er wurde zuerst langsamer, beschleunigte dann allerdings gleich wieder.“ Einem zur Unterstützung gerufenen Streifenwagen sei es schließlich gelungen, den Rasenden in Geltow zu stoppen. Kevin sei „ein bisschen schnell“ unterwegs gewesen, da er annahm, seine Ex-Freundin verfolge ihn, erzählt Janin S. (23). Allerdings habe sie von der Fahrt nicht viel mitbekommen, weil sie damit beschäftigt gewesen sei, die Blümchen von den Autositzen zu pflücken. „Außerdem bin ich nachtblind“, schiebt sie noch nach. Mit dem Angeklagten ist sie inzwischen nicht mehr liiert. Der hat sich erneut der phantasievollen Anke zugewandt. Auch Juristen sind Menschen und gerührt von der Lovestory. Zahlt Kevin S. 770 Euro Geldbuße an die Verkehrswacht, klappen sie die Akte für immer zu.

Gabriele Hohenstein

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