Landeshauptstadt: Krach auf“m Kahn
Anwohner beschweren sich übers Theaterschiff / Stadt: „Kein erhöhter Lärmpegel“
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Anwohner beschweren sich übers Theaterschiff / Stadt: „Kein erhöhter Lärmpegel“ Von Andrea Röder Innenstadt. „Wir kriegen wegen dieser brutalen Rockmusik auf dem Theaterschiff die ganze Nacht kein Auge zu“, August Henkel ist außer sich. Seit einem Jahr wohnt er mit seiner Frau in der Burgstraße und hat „leidvoll erfahren“ müssen, wie es sei, durch Musikveranstaltungen auf dem Kahn „in vielen Nächten um den Schlaf gebracht“ zu werden. Die „erheblichen Lärmbelästigungen“ würden meist nach 23 Uhr beginnen und teilweise bis 5 Uhr morgens anhalten. Dieses Problem bestehe schon seit 1996 und betreffe nicht nur ihn, so Henkel, sondern mehr als einhundert weitere Familien, die in der Nähe des Theaterschiffs wohnen. Nachdem vor einigen Wochen rund 50 Anwohner in einer Unterschriftenliste ihren Unmut über den Schiffslärm bekräftigt hatten (PNN berichteten), hat Henkel kürzlich ein Schreiben an den Beschwerdeausschuss der Stadtverwaltung geschickt. „Denn ich habe ab 22 Uhr ein Grundrecht auf Nachtruhe, und das müssen die Behörden gewährleisten.“ In seinem Brief greift der Potsdamer insbesondere die Fachbereiche Ordnung und Sicherheit sowie Umwelt an, die auf frühere Bürgerbeschwerden „in teilweise verharmlosender und verdummender Weise“ geantwortet hätten – mit dem Ziel, „die Anwohner zu beruhigen und hinzuhalten“. Die Sprecherin der Stadtverwaltung, Rita Haack, weist diese Vorwürfe allerdings zurück und gab zu bedenken, dass bei bisherigen Lärmpegelmessungen erst ein Mal – im Januar 2001 – eine Überschreitung der zulässigen Nachtrichtwerte um acht Dezibel registriert worden sei. Im Zuge der letzten Überprüfung im Juni dieses Jahres sei jedoch „an den Wohnhäusern kein erhöhter Lärmpegel festgestellt“ worden, so Haack weiter. „Die Stadt betreibt Augenwischerei“, konstatiert indes Anwohner Henkel, „weil eine Messung im Gebüsch vor dem Haus ein ganz anderes Ergebnis bringt, als zwei Etagen höher.“ Dass sich zumeist Bewohner oberer Stockwerke beschweren, ist auch dem Sprecher des Theaterschiffs, Thomas Peschel, bekannt. Er vermutet, „das liegt vielleicht am Wasser, das den Schall rüberträgt“. Peschel räumt ein, dass „Einwände der Bürger manchmal berechtigt“ seien, worauf aber „sofort reagiert“ werde, zum Beispiel durch Herunterdrehen der Bässe. Trotzdem ist er der Meinung, „wer in das Zentrum einer Landeshauptstadt zieht, kann keine ländliche Ruhe erwarten“. Eine ähnliche Position vertritt auch die Stadtverwaltung, was August Henkel jedoch als deren „Standardausrede“ bewertet. Er müsse als Innenstadt-Bewohner zwar mit „unvermeidbarem Lärm“ durch Straßenverkehr leben, „aber nicht mit ruhestörendem Kneipenlärm“. Dieser schalle vor allem deshalb bis zu den Wohnhäusern herüber, weil die Fenster des Theaterschiffs „meistens geöffnet“ seien, was gegen die Auflagen eines Schallschutzgutachtens von 1998 verstoße, so Henkel. In einer Stellungnahme an den Beschwerdeausschuss vermutet auch die städtische Ordnungsbeigeordnete Elona Müller, dass „das unerlaubte Öffnen der Fenster Ursache der Beschwerden sein könnte“. „Die Fenster sind drei kleine Bullaugen und eine Luke, die nach hinten zur Freundschaftsinsel zeigen“, sagt Peschel. Sein Kollege und Tontechniker vom Kahn, Timo Schöps, erklärt: „Wir müssen – gerade im Sommer – lüften, weil sich das Schiff am Tag auf über 40 Grad aufheizt.“ Wegen der schallgedämmten Wände halte sich die Hitze im Kahninneren bis in die Nachtstunden. Am Dienstag hatte nun der Beschwerdeausschuss über die Problematik beraten. „Eigentlich ist da die Polizei zuständig“, meint Helmut Przybilski (SPD), „aber die sind dessen auch schon überdrüssig“. Diese Ansicht deckt sich mit Henkels Erfahrungen: „Ich habe schon acht Mal die Polizei gerufen, aber die sagen, dass sie nichts tun können, solange die Behörde amtlicherseits keinen Riegel vorschiebt.“ Der Idee von Wolfgang Cornelius (CDU), der Kahn könne woanders – zum Beispiel nahe der Gartenkolonie am Hinzenberg – ankern, setzt Falk Richter (Die Andere) entgegen, dass ein neuer Liegeplatz „erhebliche Probleme“ mit sich brächte. Für Kahnsprecher Peschel ist eine Standortverlegung völlig indiskutabel: „Das wäre die reine Katastrophe, schließlich haben wir Jahre gebraucht, um uns am Alten Markt zu etablieren. Wir können da nicht weg.“ Aus diesem Grund sei man auch weiter bemüht, mit den Anwohnern „gut auszukommen“, so Peschel. „Wir werden versuchen, in Zukunft noch leiser zu werden.“ Eine Überlegung sei, die Bässe komplett abzuschalten. Einige Meter Luftlinie entfernt kündigt August Henkel derweil „weitere Schritte“ an, „notfalls bis zum Gericht“, falls seiner Beschwerde keine Abhilfe folge. „Ich habe ja gar nichts gegen die Kabarett- und Theateraufführungen auf dem Schiff“, betont er, „sondern nur gegen die späten und lauten Musikveranstaltungen.“ Auf eine Antwort des Beschwerdeausschusses wird der Potsdamer indes noch eine Weile warten müssen. Während der Sitzung am Dienstag entschied sich das Gremium, Henkels Eingabe erst einmal in den Ordnungs- und den Kulturausschuss zu verweisen – „zur umfassenden Klärung des Sachverhalts“.
Andrea Röder
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