Landeshauptstadt: „Kraft der höheren Verwaltungsmacht“
1963 stellte die Stadt zwei Holländer-Häuser unter Zwangsverwaltung – bis heute gibt sie sie nicht zurück
Stand:
Innenstadt - Die Werderanerin Silke Wötzel wirft der Stadt Potsdam vor, sich widerrechtlich „Kraft der höheren Verwaltungsmacht“ in den Besitz zweier Häuser im Holländischen Viertel bringen zu wollen, die ihrer Familie seit dem Jahre 1908 gehören. Die Häuser Kurfürstenstraße 10 und 11 waren von der Potsdamer Stadtverwaltung während der DDR-Zeit 1963 unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Bis heute verweigert die Stadt die Rückgabe der Häuser. Stadtsprecherin Regina Thielemann bestätigte gegenüber den PNN eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen der Eigentümer-Familie und der Stadt Potsdam; es gebe zwei Widerspruchsverfahren, beim Landesamt für offene Vermögensfragen und beim Verwaltungsgericht Potsdam. Dazu erklärt Silke Wötzel: „Die Stadt Potsdam will sich endgültig in den Besitz der Häuser bringen.“
Die Begründung der DDR-Stadtverwaltung für die damalige Zwangsverwaltungs-Maßnahme nennt Silke Wötzel einen Vorwand: So sei 1963 mitgeteilt worden, die Dachrinnen seien defekt, der Eigentümer könne die Häuser nicht Instandsetzen, daher werde die Stadtverwaltung Zwangskredite in Höhe von 55 000 DDR-Mark aufnehmen und die Häuser selber sanieren. Silke Wötzel zufolge sei bis heute keine Sanierungsmaßnahmen an den Häusern erkennbar. Vielmehr seien sie „in völlig desolatem Zustand“. Dennoch wurden die Backsteinbauten durch die Stadt Potsdam bis 1989 mit 211 000 DDR-Mark belastet. Wohin das Geld gelangte ist, wisse sie nicht. Silke Wötzel vermutet, dass es der städtischen Gebäudewirtschaft zufloss. Durch die Willkür-Maßnahme der DDR-Verwaltung seien der Familie zudem Mieteinnahmen von etwa 100 000 Mark entgangen, denn in den Häuser wohnten seinerzeit Mieter.
Wie Grundbucheinträge, die den PNN vorliegen zeigen, waren die Häuser Kurfürstenstraße 10 und 11 im Jahre 1908 durch den Waffenfabrikanten Wilhelm Finke gekauft worden. Er ist der Großvater von Heinz Finke, dem Onkel von Silke Wötzel und nach ihrer Auffassung heute rechtmäßiger Besitzer der Häuser. Wilhelm Finke war ein Gürtler-Meister aus Iserlohn, der im Holländischen Viertel Uniformteile und -zubehör wie Seitengewehre, Zierdolche und Säbel vertrieb. In der Garnisonstadt Potsdam war die Nachfrage groß, sogar der berühmte Hauptmann von Köpenick soll bei Finke eingekauft haben.
Silke Wötzels Onkel Heinz Finke erhielt die Häuser 1972 als Enkel von Wilhelm Finke. Kein anderer in der Familie wollte das Erbe antreten – immerhin bestand seit 1963 die Zwangsverwaltung und auf den Häusern lag die von der Stadt aufgenommene Zwangs-Grundschuld von 55 000 DDR-Mark.
Die Geschichte der Rückübertragung der beiden Grundstücke nach 1990 ist langwierig wie widersprüchlich: Dem Rückübertragungsantrag des Alteigentümers wurde 1993 vom Vermögensamt der Stadt Potsdam noch stattgegeben. Allerdings erhob die Schwester von Heinz Finke Einspruch dagegen, weil sie laut Silke Wötzel nun erkannt habe, welchen Wert die Grundstücke nach 1990 darstellen – im Unterschied zur Einschätzung von 1972. Nun geriet der Fall in die Mühlen der Justiz. Silke Wötzel zufolge gab das Potsdamer Verwaltungsgericht 1998 der Stadt Potsdam „den Hinweis“, sich selbst um die endgültige Eigentümerschaft zu bemühen, was diese auch tat: Das Vermögensamt Potsdam nahm seinen Bescheid zurück. Daraufhin kam der Fall vor das Landesamt für offene Vermögensfragen, dass im Jahr 2000 noch die Rechtmäßigkeit der Rückübertragung an den Eigentümer bestätigte. Daraufhin klagte die Stadt vor dem Verwaltungsgericht – dem Gericht also, dass „den Hinweis“ gab, sich um die Anwesen zu bemühen. 2006 erfolgte die Verhandlung, das Gericht forderte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, seine Entscheidung zugunsten der Familie Finke zu überdenken. Daraufhin nahm das Amt den Bescheid zurück und begründete laut Silke Wötzel, man würde „die Sache heute anders sehen und nicht mehr so entscheiden wie zuvor“.
Die eigenen Zugriffsversuche auf das Eigentum der Familie Finke hielt die Stadt Potsdam nicht davon ab, noch 1997 eine Rechnung über an den Immobilien entstandene „Vermessungskosten“ in Höhe von 1745,13 DM an Heinz Finke zu schicken. Der 85-Jährige bezahlte – schließlich stehe er im Grundbuch.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: