Von Tobias Koch: Kraft der vierten Gewalt
33 junge Journalisten aus 24 Ländern nehmen am in Potsdam am M100 Jugend Medien Workshop teil
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Eine Explosion und ein Großbrand. Zwei Tote und viele Verletzte. Im November vergangenen Jahres erschütterte eine Reihe von Explosionen in einem Munitionsdepot der russischen Marine in der Stadt Uljanowsk die Menschen. Dennoch hatte der Gouverneur der Region nur beschönigende Worte übrig und weckte so das Interesse der Übersetzerin Elena Albutovas. „Ich meine, dass man die Regierung immer kritisieren muss, ob positiv oder negativ“, begründet die 23-jährige Russin ihr Misstrauen gegenüber der Regierung. So habe es schon oft Situationen gegeben, in denen man nicht wusste, ob die offiziellen Informationen wahr oder falsch seien.
Dieses Misstrauen, jene Neugier eint die 33 Teilnehmer aus 24 Ländern des diesjährigen M100 Jugendmedienforums in Potsdam. Unter dem Titel „Investigativer Journalismus in Europa“ treffen die 18- bis 26-Jährigen aufeinander und setzen sich mit jener speziellen Form des Journalismus auseinander. Investigativ zu arbeiten bedeutet, umfassend zu recherchieren, um die Hintergründe von undurchsichtigen Zusammenhängen zu durchleuchten. Der Sportjournalist Hajo Seppelt, der den Jungjournalisten Rede und Antwort stand, beschäftigt sich zum Beispiel intensiv mit dem Thema Doping im Sport. Die Nachwuchs-Journalisten trafen auch auf die investigativ tätigen Marcus Lindemann vom Berliner autoren(werk), Jörg Schmitt vom Spiegel und Hans-Martin Tillack vom Stern. Hajo Seppelt beschreibt, dass die Strukturen für investigativen Journalismus auch in Deutschland nicht die besten seien. „Dabei brauchen wir neugierige Journalisten“ berichtet Seppelt.
Der 23-jährige Deutsche Falk Steinborn stellt klar, welche wichtige Rolle investigativer Journalismus einnimmt. Für ihn handele es sich dabei um die vierte Gewalt, die die Aufgabe habe, staatliche Institutionen zu kontrollieren. „Meiner Meinung nach sollte jeder Journalist ein wenig investigativ arbeiten.“ , sagt der Journalistikstudent aus Dortmund. Auch die 23-jährige Siham Hassan aus Budapest will aufdecken und Sachverhalte durchleuchten. Die ungarische Regierung habe seit Amtsantritt einige Gesetze verabschiedet, die genauer unter die Lupe genommen werden müssten, findet Hassan. Die ungarischen Medien müssten es sich zur Aufgabe machen, eine Art Balance zu bilden zur starken Mehrheit der Nationalkonservativen im Landesparlament.
Wie Hassan wollen auch die anderen 32 Nachwuchsjournalisten von den gestanden Profis beim Potsdamer Jung-Journalistenforum Tipps und Tricks erfahren, um selbst investigativ zu arbeiten. Der 25-jährige Yenal Göksun aus Istanbul weiß um die schwierigen Arbeitsbedingungen: So gebe es in der Türkei Schwierigkeiten an Informationen zu gelangen. Oft sei man dem Druck von Nachbarn ausgesetzt, die einen abstempeln und die Arbeit kritisieren. Die 18-jährige Adelina Nicolescu aus dem rumänischen Craiova bedauert: „Es gibt vielleicht vier oder fünf investigativ arbeitende Journalisten in Rumänien.“ Einen davon, den rumänischen Autor George Lacatus, hat sie allerdings für ein Interview getroffen. „Er hat mich beeindruckt, deshalb habe ich mich für den Workshop in Potsdam beworben“, sagt die junge Rumänin.
Am Ende des Workshopprogramms steht außerdem die Produktion von eigenen Radio-, Video- und Blogbeiträgen. Jene werden auf der heutigen Abschlussveranstaltung präsentiert.
Tobias Koch
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