
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Kratzen, grätschen, beißen
Der Fußball-Drittligist Babelsberg Nulldrei will sein aktuelles Image loswerden – nicht nur auf dem Platz
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Babelsberg - Die Schlagworte für die aktuelle Situation des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03 sind klar definiert: kratzen, grätschen, beißen. Sportlich gesehen macht das Sinn – der SVB ist in akuter Abstiegsgefahr. Doch beschreiben diese Worte auch das Verhältnis zwischen einigen Fans und SVB-Geschäftsführer Klaus Brüggemann: Der Manager hat drei Anzeigen gegen Unbekannt gestellt, nachdem er sich im Nulldrei-Fanforum verleumdet sieht. „Wenn mir Korruption und Betrug nachgesagt werden, muss ich mich wehren“, sagte Brüggemann am Freitag gegenüber den PNN.
Wenige Minuten zuvor hatte der neue SVB-Präsident Dieter Wiedemann einen neuen Umgang mit den Fans beschworen: Anhänger und Mitglieder sollen mitgenommen werden, wenn der Verein jetzt in der Stadt und im Umland mehr und besser für sich werben will. Auch „Pflege und Ausbau der Fankultur“ stehen im neuen Strategiekonzept – als Vision für 2014/15. Doch an der Fan-Front brennt es lichterloh wegen der Eskalation mit Brüggemann. Der geballte Anhänger-Groll im Internet, die Rücktrittsforderung des Fanbeirates gegen Brüggemann, Boykottaufrufe für die Mitgliederversammlung in zwei Wochen sowie zahlreiche Austrittsgedanken von SVB-Mitgliedern sollten der neuen Vereinsführung klarmachen: Für Visionen ist kein Platz, Handlungsbedarf gibt es jetzt und nicht erst in zwei Jahren.
Es ist das bekannte Problem der vergangenen Jahre, was die Nulldrei-Spitze für die Zukunft zu lösen hat. Die Fans des Vereins, die eigentlichen Sprachrohre auf den Rängen, in den Kneipen, in Klubs und auf der Straße, fühlen sich von den eigenen Vereinsoberen oft nicht gehört. Das traditionell kritische Verhältnis zwischen Rängen und Vorstandsetagen ist auch im Karl-Liebknecht-Stadion immer wieder strapaziert worden. Die Antworten, die Manager, Anwälte und Finanz-Experten, Politiker oder Geschäftsmänner in den vergangenen Jahren auf die Frage nach der Finanzierbarkeit von Profifußball in Babelsberg gaben, erwiesen sich früher oder später für viele Anhänger als untauglich: Vetternwirtschaft, Handschlaggeschäfte oder eine Kommerzialisierung des Vereins waren oder sind nicht vereinbar mit der Babelsberger Fußballseele. Im Moment ist es Geschäftsführer Brüggemann, dem vorgeworfen wird, den Verein zu sehr von Kommerz und Banken abhängig zu machen und es nicht zu schaffen, Sponsoren an den Babelsberger Park zu locken, die sich wirklich mit dem Verein identifizieren. Zudem verkörpert Brüggemann für viele Fans nicht den idealtypischen Vertreter für Transparenz und Dialog, was der SVB dringend nötig hat. Im Gegenteil: Brüggemann fühlt sich unter anderem von SVB-Fan Lutz Boede verleumdet, nachdem der dem Manager einen Interessenskonflikt vorgeworfen hat: Nach Boedes Ansicht könne Brüggemann nicht die Nulldrei-Geschäfte führen und gleichzeitig mit einer eigenen Firma Fußballspieler beraten und vermitteln. Zwar hat Brüggemann mehrfach erklärt, diese Tätigkeit ruhen zu lassen, Geschäftsführer und Inhaber der Consultingfirma „Brüggemann & Partner“ ist er nach PNN-Informationen jedoch weiterhin. „Das geht nicht“, meint Boede.
Der Disput kommt zur Unzeit, das räumt auch Brüggemann ein. Die Anzeige habe er bereits im vergangenen Oktober gestellt. Jetzt, fünf Monate später, ist die Vereinsspitze dabei, für den SVB – wieder einmal – ein besseres Image zu postulieren. Die „desolate Außenwirkung“, die Mitglieder im Internet beklagen, nimmt auch der neue Vorstands-Vize Immo von Fallois wahr: „Zu sehr gegeneinander, zu viel Ich, zu wenig Wir“ – so seine Bildbeschreibung der vergangenen Monate. Eine Image-Politur ist daher neben sportlichem Erfolg und wirtschaftlicher Stabilität eines der wichtigsten Ziele, die die neue Führung ausgibt.
Dabei kann sich ein Verein mit Ambitionen für Profifußball nicht jeden idealisierten Wunsch seiner Fans diktieren lassen. Zu groß sind die Verantwortungen und Verpflichtungen eines Drittligavereins im Allgemeinen und des SVB im Besonderen: Allein ein Stadion im Unesco-Weltkulturerbe ist eine Herausforderung. Dem Bemühen, im Schoß der städtischen Sportfamilie Platz zu finden, steht eine immer wiederkehrende Neiddebatte entgegen, dass der SVB über einen Millionen-Etat verfüge. Dass der Drittligist dennoch chronisch klamm ist und ihm die Stadt mehrfach mit Finanzspritzen ausgeholfen hat, ändert an dem Diskurs nichts, im Gegenteil: Durch die städtische Infusion steht der Verein noch mehr in der Pflicht, offen und transparent zu agieren - und das bei einem Erbe, das aus Filz und Vetternwirtschaft gestrickt ist. Der SVB hat einiges aufzuholen – nicht nur auf dem Platz.
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