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Letzte Ruhe. Ein Volksbund-Mitarbeiter bettet die Skelettsärge in die Erde.

© dpa

Landeshauptstadt: Kriegstote von der Pappelallee in Bornim beigesetzt Neue Verdachtsstelle für Notgrab von 29 deutschen und einem französischen Soldaten.

Bornim - Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

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Bornim - Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. hat genaue Hinweise auf einen konkreten Ort, wo weitere 29 deutsche und ein französischer Soldat gegen Ende des Zweiten Weltkrieges notdürftig begraben wurden. Das erklärte Volksbund-Mitarbeiter Joachim Kozlowski am Montag am Rande einer Beisetzung von 83 sterblichen Überresten von Wehrmachtssoldaten auf dem Kriegsgräberfeld des Neuen Friedhofs in Bornim. Die Skelette der Soldaten waren im September 2012 bei Bauarbeiten an der Potsdamer Pappelallee auf Höhe des Voltaireweges gefunden worden.

Auch die weitere Verdachtsstelle befindet sich an der Pappelallee unweit des Rewe-Marktes. An der Pappelallee befand sich bis 1945 die Adolf-Hitler-Kaserne der deutschen Wehrmacht, in dessen Lazarett gegen Kriegsende Hunderte verletzte Soldaten starben und teils nur notdürftig begraben wurden. Insgesamt vermutet die Kriegsgräberfürsorge noch etwa 500 Kriegstote in der Erde des ehemaligen Kasernenareals. Kozlowski, der die Umbettung der sterblichen Überreste vornimmt, besah sich noch am Montag die neue Verdachtsstelle, an der „in einer Linie“ 29 deutsche und ein französischer Soldat begraben liegen sollen. Von dem Franzosen wird derzeit nur der Vorname kommuniziert: „Louis“. Kozlowski stellte fest: „Die Grablage liegt frei“, ist also noch nicht überbaut worden. Eine Bergung sei möglich. Kozlowski zufolge bedarf es dafür einer Genehmigung durch die Stadt Potsdam und des Grundstückseigentümers. Ein Vertreter der Stadtverwaltung signalisierte bereits ein Entgegenkommen: „Wir werden eine Lösung finden“, erklärte Gunther Butzmann, Bereichsleiter Friedhöfe, gegenüber den PNN.

Eine Beerdigung der Lazarett-Toten „in Linie“, wie Kozlowski sagte, geht auf den Umstand zurück, dass die Leichname notdürftig in Splittergräben begraben wurden. Diese waren 1,50 Meter tief und einen Meter breit – Platz für „immer drei Tote nebeneinander“, wie der heute 86-jährige Herbert Moldenhauer am Rande der Beisetzung der Kriegstoten berichtete. Moldenhauer wurde als 18-jähriger Soldat nach einem Lungenriss infolge der Explosion einer Luftmine in dem Lazarett an der Pappelallee behandelt. Der Zeitzeuge erzählte: „Jeden Morgen kamen wir in den Waschraum und da standen die Tragen, darauf die in der Nacht Verstorbenen.“ Es habe gegen Kriegsende kein Fahrzeug gegeben, um die Toten zu einem Friedhof zu bringen. Die nun vollzogene würdevolle Beisetzung der Soldaten verschaffe ihm Genugtuung.

Vier der 83 Wehrmachtssoldaten konnten bereits anhand von Erkennungsmarken identifiziert werden, erklärte Gabriele Zehms von der Deutschen Dienststelle, ehemals Wehrmachtsauskunftstelle (WASt), auf PNN-Anfrage. Überhaupt seien nur sechs der 14 gefundenen Erkennungsmarken der Soldaten nach weit mehr als 60 Jahren in der Erde noch lesbar. Keiner der vier nun namentlich bekannten Toten stamme aus Potsdam. „Sie sind weder in Potsdam geboren noch waren sie in Potsdam gemeldet“, sagte Gabriele Zehms.

„Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“ Mit diesem Platon-Zitat begann Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) seine Trauerrede für die 83 Toten von der Pappelallee. Kriege endeten nie wirklich, „nur die Toten finden ihren Frieden“. Jakobs brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Platonsche Realität – Frieden als nur die Zeit zwischen zwei Kriegen – einmal überwunden werden kann. Klar erklärte Jakobs, er handele sich bei den Toten „um Opfer des von Deutschland angezettelten Weltenbrandes“. Erinnert sei an alle, die im Zweiten Weltkrieg Opfer von Gewalt und Terror wurden. Gleichsam schlug Jakobs einen Bogen in die Gegenwart: In Syrien, Mali und Afghanistan hielten Krieg und Verfolgung noch an. Seit 1992 seien 101 Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen, 53 davon allein Afghanistan, erinnerte Jakobs.

Mit einem Zitat des Arztes und Humanisten Albert Schweitzer eröffnete die Potsdamer Kreisvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Ute Bankwitz (Bürgerbündnis), ihre Rede: „Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens.“ Jeder Mensch habe ein Recht auf eine würdevolle Ruhestätte – „ganz besonders nach einem nicht würdevollen Tod“, sagte die Stadtverordnete.

Auf ein würdiges Grab für ihren Großvater hofft die Potsdamerin Silke Gopp indes noch immer. Hermann Wernecke – „Korvettenkapitän, eine Lichtgestalt in unserer Familie“ – war noch gegen Kriegsende zum Volkssturm eingezogen worden, dem letzten Aufgebot des nationalsozialistischen Regimes. In Drewitz erlitt ihr Großvater einen Oberschenkeldurchschuss, am 10. Mai 1945 starb er im Lazarett an der Pappelallee. Irgendwo dort liegt er bis heute, mehr verscharrt als begraben.

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