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Landeshauptstadt: Krimi einer Versteigerung

Clara-Zetkin-Straße 23 veräußert

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Brandenburger Vorstadt – Für 315 000 Euro wechselte das Haus Clara-Zetkin-Straße 23 bei einer Zwangsversteigerung am Mittwoch den Besitzer. Ersteigert hat es ein seriös wirkender Herr aus Saarbrücken, der nach Meinung einiger Anwesender lediglich als Strohmann oder Makler fungiert. Der 64-jährige Eigentümer des 128 Jahre alten Hauses, das seit zehn Jahren leer steht und verfällt, war bei der Versteigerung im Amtsgericht in der Hegelallee nicht anwesend. Offenbar mit über einer halben Million Euro überschuldet, musste er die Versteigerung des von Wildwuchs fast vollständig verdeckten Hauses über sich ergehen lassen. Jetzt bliebe ihm nur noch die Möglichkeit, das Verfahren innerhalb von 14 Tagen anzufechten.

Hauptgläubigerin ist eine Firma in Minden, daneben noch kleinere wie die Stadt Potsdam wegen nicht bezahlter Grundsteuern.

Rechtspfleger Ulrich Doehring, der die Prozedur von Amts wegen routiniert durchzog, erläuterte zuvor ein besonderes Problem: Der Vorgarten in den der Erker des spätklassizistischen Wohngebäudes hineinragt, hat einen anderen Eigentümer. Wer auch immer das 532 Quadratmeter große Gebäude mit Freifläche kauft, bekommt es mit dem Besitzer des Vorgartens zu tun. Nicht einmal eine Grunddienstbarkeit, das heißt ein Wegerecht zum Gebäude, sei laut Auskunft des Besitzers im Grundbuch eingetragen. Der Vorgarten sei daher ein „Pfand“, mit dem es jedem Grundstückskäufer schwer gemacht werden könne. Ob das auf Dauer gelingt, scheint angesichts einer Person im Hintergrund mit sportlich wirkenden jungen Männern an seiner Seite zweifelhaft.

Den Verkehrswert hatte Doehring auf 87 000 Euro festsetzen lassen. Ein Schadensgutachten lässt viele Fragen offen, bescheinigt aber Befall mit Hausschwamm, marode Dielen und einen kaputten Dachstuhl. Wer das von der Fassade her attraktive Haus sanieren will, muss viel Geld investieren. Die Eigentümer des Nachbarhauses Nummer 22, das denkmalgerecht wieder hergestellt ist, würden das zu gern tun. Doch sie passen bei einem Versteigerungsniveau von über 220 00 Euro. Kaufpreis und Instandsetzungskosten müssten schließlich in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen.

Nach Ablauf einer halben Stunde bieten am Schluss nur noch der Makler aus Saarbrücken und der Vorgartenbesitzer. „Meine längste Versteigerung dauerte zweieinhalb Stunden“, drohte Doehring an, nachdem sich die Gebote in Tausender-Schritten hinziehen. Damals seien es allerdings dreihundert Gebote gewesen und hier seien es erst achtzig. Doch dann plötzlich verläuft alles flotter als gedacht. Der Vorgartenbesitzer passt bei der 315 000-Euro-Marke. Vor Jahren noch soll der Verkehrswert bei rund 400 000 Euro kalkuliert worden sein. Daran gemessen, ist die Versteigerungssumme weit über dem Verkehrswert immer noch ein Schnäppchen.

Und was wird nun aus dem Haus? Der Nachbar hätte es bei einem erträglichen Kaufpreis sicherlich saniert. Der Vorgartenbesitzer, ein Architekt, möglicherweise ebenfalls. Acht Wohnungen ließen sich nach dessen Meinung darin einrichten. Als Wohneigentum verkauft, dürften sie 2,5 bis drei Millionen Euro bringen. Und der Käufer? Er lässt ahnen, dass er nur eine Zwischenstation ist. Und so ist zu befürchten, dass die Clara-Zetkin-Straße 23 noch so lange eine Stätte des Verfalls bleibt, bis sich eine maximal profitable Verwertung findet.

Günter Schenke

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