Neptunbassin: Kritik an Flotten-Neubau im Lustgarten wächst
Streit um das Neptunbassin am Lustgarten: Das Areal ist „von großer europäischer Bedeutung“, warnt der Gartenexperte Clemens Wimmer. Der Chef der Flottenchef Lehmann lehnt hingegen einen Alternativstandorte ab.
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Innenstadt - Der geplante Neubau der Weissen Flotte am Neptunbassin des Lustgartens ist immer stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Bei einer Veranstaltung der Stadtfraktion der Potsdamer Demokraten am Montagabend im Mercure-Hotel sprachen sich im vollbesetzten Saal zahlreiche, teils namhafte Vertreter der Potsdamer Bürgerschaft gegen den L-förmigen Neubau des Fachhochschul-Architekturprofessors Karl-Heinz Winkens aus. Als Gründe für die Ablehnung werden städtebauliche und architekturhistorische Bedenken genannt. Der Lustgarten sei „von großer europäischer Bedeutung“, erklärte der Gartenexperte Clemens Alexander Wimmer. Am Potsdamer Stadtschloss sei abgesehen von Berlin-Charlottenburg das erste Mal französische Gartenbaukunst nach dem Vorbild des Schlosses Versailles betrieben worden – „noch vor Wien oder München“. Wimmer warnte vor einer Überbauung des Lustgartens und dem damit verbundenen internationalen Ansehensverlust: „Es geht hier nicht um eine Provinzposse.“
Die Hoffnungen, den als „Glaspalast“ titulierten Neubau zu verhindern, richten sich nicht nur an die Stadtverordneten, die voraussichtlich am 30. Januar über das Vorhaben abstimmen. Zuvor berät am Dienstag, dem 15. Januar, der Bauausschuss zum Thema. Kolportiert wird auch eine Urheberrechtsklage des Architekturbüros Dietz-Joppien, das den Lustgarten für die Bundesgartenschau 2001 neu gestaltete. Der Architekt Albert Dietz erklärte dazu am Dienstag gegenüber den PNN, sein Büro sei „weiter in enger Abstimmung mit der Stadt Potsdam“. Dietz weiter: „Wer miteinander spricht, klagt noch nicht.“
Der Winkens-Entwurf, wonach der Flottenneubau das Neptunbecken auf zwei Seiten umschließen soll, ging als Sieger aus einem Architekturwettbewerb der Stadt Potsdams mit sechs teilnehmenden Büros hervor. Zunächst sollte das Gebäude – eine Gastronomie mit 250 Plätzen, die Flottenverwaltung sowie Toiletten – direkt als Anbau an das Hotel Mercure errichtet werden. Im Zuge der Debatte um die Kunsthalle des SAP-Gründers Hasso Plattner wurden Hotel und Flottenbau entkoppelt und das Bassin als Bauareal gewählt. Winkens plante um.
In der Stadtverordnetenversammlung zeichnet sich indes eine, womöglich aber knappe, Mehrheit für diesen zwischen Stadt und Weisser Flotte abgestimmten Bau ab. Die Linke ist uneingeschänkt dafür. „Wir müssen endlich Nägel mit Köpfen machen“, sagte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg am Dienstag den PNN. Im Zuge der Kunsthallen-Debatte habe der Oberbürgermeister der Flotte eine Bauzusage gegeben, er hoffe, diese werde eingehalten. Die Potsdamer CDU teilte am Dienstag mit, sie sei für eine Entkopplung von Mercure-Hotel und Flottenneubau – eine wenn auch nicht explizit ausgesprochene Befürwortung des Winkens-Entwurfes. Allerdings solle das Lustgartengrundstück nicht verkauft, sondern per Erbbaupacht an die Weisse Flotte vergeben werden.
Für die SPD gehört der Neubau der Weissen Flotte ebenfalls in den Lustgarten. Der Verwaltungsvorschlag für den L-förmigen Bau von Winkens am Neptunbrunnen werde unterstützt, erklärte Fraktionschef Mike Schubert am Dienstag den PNN. Denkbar sei aber auch der Vorschlag des ehemaligen Direktors des Mercure-Hotels, Rudolph Freiherr von Ketteler, nur die dem Bahndamm zugewandte Brunnenseite zu bebauen. Bedingung für Schubert: Von Ketteler und die Weisse Flotte müssten sich darauf einigen. Von Ketteler, Protagonist des Wiederaufbaus der Skulpturen im Neptunbecken, warnte am Montagabend auf der Dialog-Veranstaltung: „Wenn das Becken zugebaut wird, ziehen die Spender ihre Gelder zurück.“ Ein Bau im Lustgarten müsse „Schnitt und Rhythmus“ haben. „Schönheit zieht an, Schönheit verkauft sich besser“, warb von Ketteler für seinen Entwurf in Gestalt eines traditionellen, königlichen Gartenhauses.
Die Bündnisgrünen sind gegen den Bau am Neptunbecken, wollen jedoch mit den Worten Saskia Hünekes „einen Zielpunkt für Besucher des Lustgartens“ und schlagen vor, den Flottenbau am Bahndamm zu errichten.
Klar distanzieren sich die beiden Stadtverordneten der Potsdamer Demokraten von einem Bau am Becken: Dieser zerstöre „den Kontakt von Havel und Lustgarten“, sagte Wolfgang Cornelius. Einen Verkauf von 2500 Quadratmetern „des ältesten Parks von Brandenburg“ an die Weisse Flotte schloss er kategorisch aus. Als Standort für die Weisse Flotte schlägt er vielmehr die dem derzeitigen Hafen gegenüberliegende Havelseite vor.
Diesen Standort am sogenannten Meyer-Ohr, benannt nach Ex-Verkehrsminister Hartmut Meyer, lehnt Flottenchef Jan Lehmann ab: Der Platz sei viel zu klein. „Legen sie die ,Sanssouci’ da hin, dann ist der Hafen voll“, erklärte Lehmann den PNN am Dienstag. Undenkbar sei, dass Bustouristen zunächst über die Lange Brücke laufen müssen, um auf der anderen Flussseite Schifftickets zu kaufen oder eine Toilette aufzusuchen, um danach wieder zu Fuß über die Lange Brücke zu ihrem Schiff zu gelangen. Wie Lehmann weiter sagte, sei auch der Standort am Bahndamm für ihn nicht akzeptabel: „Wir sind die Weisse Flotte, nicht die Deutsche Bahn.“ Der Bezug zum Wasser sei für ihn unbedingt notwendig.
Der Winkens-Entwurf: Restaurant mit 250 Sitzplätzen
Anlass der gegenwärtigen Debatte um einen Neubau für die Weisse Flotte ist ein Entwurf des Potsdamer Architekturprofessors an der Fachhochschule Potsdam, Karl-Heinz Winkens. Dieser hatte mit seinen Vorstellungen einen Architekturwettbewerb gewonnen, den die Stadt Potsdam auslobte und an dem sechs Büros teilnahmen. Zunächst sah er vor, einen Anbau an das Mercure-Hotel zu errichten. Im Zuge der Kunsthallen-Debatte versetzte Winkens seinen Bau an den Neptunbrunnen und verpasste ihm eine L-förmige Grundform. Den Hauptteil bildet ein Restaurant mit 250 Sitzplätzen.
Das Palmenhaus
Rudolph Freiherr von Ketteler sieht durch den Winkens-Entwurf sein Projekt einer Rekonstruktion der Neptungruppe gefährdet. Von dem Dresdner Architekten Andreas Hummel, der Spezialist für die dreidimensionale Visualisierung von Bauten ist, ließ von Ketteler einen Lustgarten-Neubau für die Flotte im Stile eines königlichen Palmenhauses planen. Unterstützung erfährt er durch den Kunsthistoriker Joachim Kuke, Bürgerinitiative Mitteschön: „Man kann den Lustgarten bebauen, nur man muss es richtig machen“. Vorbilder fänden sich in den Potsdamer Parks: „Das Gute liegt so nah.“
Das andere Ufer
Die Potsdamer Demokraten – die ehemaligen CDU-Stadtverordneten Wolfgang Cornelius und Peter Schultheiß, die nun eine eigene Fraktion bilden – bringen einen neuen Standort für die Weisse Flotte in die Diskussion ein. Demnach könne das Flottengebäude auch auf der gegenüberliegenden Seite stehen, am sogenannten Meyer-Ohr. In der Vergangenheit war das bereits bis etwa 1960 Standort der Fahrgastschifffahrt in Potsdam. „Schon zur Zeit des Kurfürsten war dort die Anlegestelle“, erklärte Cornelius. Die Flotte könne durch das dort geplante Kongresshotel profitieren.
Der Mercure-Ersatz
Auf der Veranstaltung der Potsdamer Demokraten kam am Montagabend eine völlig neue Vision für die Weisse Flotte ins Gespräch. Wie der Potsdamer Architekt Philip Jamme erklärte, habe das in Potsdam und Frankfurt/Main ansässige Architekturbüro Dietz-Joppien bei der Planung des neuen Lustgartens zur Bundesgartenschau 2001 bereits Ansätze für eine Bebauung des Lustgartens eingeplant – anstelle des Hotelhochhauses. Jamme: „Es gibt Möglichkeiten für ein pfiffiges Gebäude anstatt des Hotels.“ Allerdings steht ein Zeitpunkt für einen Abriss des Hochhauses derzeit in den Sternen.
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