Landeshauptstadt: Kritik an Shared Space
Blindenverbände gegen Modell „Straße für alle“
Stand:
Babelsberg - Heftige Gegenwehr erfährt die geplante „Shared Space“-Idee an der Kreuzung Paul-Neumann-/Pestalozzistraße. Bei der gestrigen zweiten Bürgerversammlung äußerten sich vor allem Vertreter von Blinden- und Sehbehindertenverbänden deutlich ihre Kritik an dem Modellversuch, einen Straßenbereich zu schaffen, auf dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind und bei dem es keine Abgrenzungen zwischen Fahr- und Gehweg gibt. „Wir wollen Shared Space in Babelsberg grundsätzlich verhindern“, erklärte Klaus-Dieter Wüstermann im Namen der Blinden und Sehbehinderten.
Die Stadtverwaltung stellte gestern in der Mensa der Babelsberger Goethe- Schule drei mögliche Shared Space-Varianten für die Kreuzung vor. Allen drei gemein ist ein großer Flächengewinn für Räume abseits des Autoverkehrs. Erreicht wird das durch eine Verengung der Fahrstreifen. Ebenso soll an allen Einfahrten zum Gemeinschaftsbereich spürbare Bodenwellen zum Langsamfahren zwingen. Unterschiede finden sich in der eigentlichen Gestaltung der Kreuzung: Sowohl ein überfahrbarer Minikreisel, als auch eine langgezogene und ebenfalls überfahrbare Kreuzungsmitte sowie eine Mittelinsel seien möglich, stellte Michael Groenewald vom beauftragten Institut Planersocietät vor. Mit einem Blindenleitsystem, großen Grünbereichen, Spielgeräten und Bänken als optische Begrenzung des Fahrbereiches solle der Platz aufgewertet werden. Das Parkplatzangebot in den angrenzenden Straßen soll mindestens erhalten bleiben.
Wüstermann und andere Vertreter von Sehbehindertenverbänden kritisieren das Modell der „Straße für alle“ grundsätzlich. Das System beinhalte den Grundsatz „Die Verkehrsteilnehmer sollen über Blickkontakt die Situationen klären“, so Wüstermann. „Kann die Verwaltung uns wieder sehend machen?“ Ansonsten sei Shared Space grundgesetzwidrig, weil Blinde und Sehbehinderte faktisch benachteiligt würden. „Wir können uns dann nämlich nicht verständigen.“ Andere Teilnehmer der Bürgerversammlung jedoch befürworteten grundsätzlich die Idee, äußerten aber unter anderem Einwände, Spielgeräte als optische Trenner zum Fahrbereich zu nutzen und empfahlen, an den Einfahrten zum Shared Space-Bereich Hinweisschilder aufzustellen.
Die Umsetzung der Shared Space-Planungen sind jedoch noch offen. Bernd Kahle, Bereichsleiter für Stadtentwicklung im Rathaus beteuerte, dass „frühestens in fünf, sechs Jahren die Gemeinschaftsstraße in Babelsberg kommen könnte“. Das sei aber auch von einer Landesförderung abhängig. Die derzeitigen Planungen würden aber bereits durch das Land unterstützt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: