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Von Arno Meinken: Kritische Außensicht gewünscht

Der umstrittene Studiengang „Military Studies“ hat sich nach einem Jahr an der Universität Potsdam etabliert

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Im Sitzungssaal des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) verfolgen Studenten und Studentinnen sowie Mitarbeiter der Einrichtung mit großer Aufmerksamkeit einen Vortrag über die militärische Aufbaugeneration der Bundeswehr der 50er bis 70er Jahre. Der Gastdozent referiert in Offiziersuniform. Nichts Ungewöhnliches für die Studierenden des vor einem Jahr an der Universität Potsdam eingeführten Studiengangs „Military Studies“, der gemeinsam von den Lehrstühlen der Allgemeinen Soziologie und Militärgeschichte getragen wird. Nach Ende des Vortrags prasseln kritische Fragen auf den Referenten ein. Die Beteiligung ist rege, das Niveau des Kolloquiums hoch. Die Anmerkungen kreisen um Probleme der Methodik bis hin zum wissenschaftlichen Nutzen der vorgestellten Untersuchung.

Unter den Beteiligten ist auch Michael Volta, einer der 15 Studierenden des in Deutschland einmaligen Masterprogramms. Wie die meisten seiner Kommilitonen hat er zuvor nicht an der Universität Potsdam studiert. Tatsächlich ist der „vollausgebildete“ Theologe nicht unbedingt ein Exot, denn die Masterstudenten und -studentinnen kommen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen. So aus dem Public Management, der Politikwissenschaft und sogar aus Orchideenstudiengängen wie der Museologie. Volta selbst kam während eines Praktikums in der Militärseelsorge mit dem Militär in Kontakt. Der intensive Austausch mit Soldaten über ihre Belastungen durch Auslandseinsätze bewog ihn, sich weiter mit der Wirkungsweise des Militärs auf Einzelne und die Gesellschaft zu beschäftigen. Diesen Schritt hat er bislang nicht bereut. Im Gegenteil. Er weist auf die hohe Qualität des zweijährigen Studiengangs hin, die sich von der Auswahl der Dozenten, über das breite Seminarangebot bis hin zum Praxisbezug durch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen erstrecke. Neben dem MGFA ist auch das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr in Strausberg (SOWI) mit einer Reihe von Dozenten am Lehrprogramm beteiligt. Die Einrichtung übernimmt vor allem Forschungsaufträge für das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg).

Diese Tatsache sorgte bereits vor Einführung des Studiengangs für Kritik. Die Eröffnungsfeier an der Universität Potsdam im Oktober 2007 wurde durch Demonstranten massiv gestört (PNN berichtete). Auch der Studierendenausschuss (AStA) der Universität befürchtete, dass die Bundeswehr mit ihren Interessen Einfluss auf Forschung und Lehre nehmen könne. Eine freie wie kritische Wissenschaft sei so nicht zu gewährleisten. Volta hält diesen Vorwurf für ungerechtfertigt. Alle Dozenten ließen sich kritisch hinterfragen und wirkten nicht als „Handlanger des Verteidigungsministeriums“.

Durch die Beteiligung der Institute sei vielmehr eine hohe Aktualität des Seminarangebots gegeben, wobei immer eine kritische Außensicht auf die Bundeswehr gewährleistet sei. In der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit seien die Dozenten völlig frei, entgegnet auch Dr. Gerhard Kümmel vom SOWI der Kritik. Die Auswahl der Seminarthemen erfolge nach individuellen Präferenzen der Dozenten und er verweist darüber hinaus auf die Kriterien der Forschungsfreiheit an der Universität.

Für Professor Bernhard Kroener, Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte und Mitinitiator des Studiengangs, bestehen dessen Vorteile darin, dass zivile Impulse über die Studierenden in die Bundeswehr zurückwirkten. Eine Abschottung des Studiengangs gegenüber dem Militär, wie von den Kritikern gefordert, sei daher für alle nachteilig. Der aus den Modulen Militärgeschichte, Sicherheitspolitik und Konfliktforschung sowie Militärsoziologie bestehende Studiengang behandelt unter anderem Themen, wie neue Forschungen zum Kriegsende 1945 in Deutschland, die EU als sicherheitspolitischer Akteur oder Minderheiten im Militär. Bei näherer Betrachtung des Seminarangebots fällt eines auf: Vermeintlich „militärtypische“ Themen wie Operationsgeschichte und Militärstrategie fehlen. Für den Studenten Volta ist die Untersuchung von Operationen in erster Linie Aufgabe der Militärs. Das Fehlen der Militärstrategie als Teil der Sicherheitspolitik sei hingegen problematisch, weil damit auch zukunftsorientierte Fragestellungen nicht abgedeckt würden. Dies sei vor allem auf die mangelnde Initiative des Fachbereichs Politikwissenschaft an der Universität zurückzuführen. Auch Kümmel sieht auf diesem Gebiet noch einige Verbesserungsmöglichkeiten. Die Zukunft des Studiengangs sei jedoch positiv zu bewerten. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr würden den Bedarf an wissenschaftlichen Betrachtungsweisen der zivil-militärischen Verhältnisse nicht abreißen lassen.

Arno Meinken

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