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Landeshauptstadt: Kulturaneignung in Ostchina

Sven-Gustav Link, Lehrer aus Potsdam, unterrichtet an der Technischen Universität Ninbo

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Sven-Gustav Link beginnt jeden Tag mit der Morgensendung von Radioeins des Rundfunks Berlin-Brandenburg – dank des Internets. Denn zwischen ihm und seiner Heimat liegen über 7000 Kilometer sowie fünf Stunden Zeitunterschied. Der 29-jährige Potsdamer arbeitet zurzeit in China als Lehrer und bezieht sein Radioprogramm auch als Podcast-Aufzeichnung. Den Campus der Potsdamer Universität, an der er im Mai 2007 sein Studium auf Lehramt für Deutsch und Sport beendet hat, hat er mit dem der Technischen Universität Ninbo an der Ostküste Chinas getauscht.

Link lebt jetzt in einer Fünf-Millionen- Einwohnerstadt. Die Hangzhou Bay Bridge, die mit 35 Kilometern längste transozeanische Brücke der Welt, beginnt ganz in der Nähe seines Domizils und verkürzt die Reisezeit nach Shanghai von 4 auf 2,5 Stunden. Seit Oktober 2007 bringt der junge Lehrer rund 90 chinesischen Studenten des ersten und zweiten Studienjahres Deutsch als Fremdsprache bei. An der Ninbo-Universität ist Sven- Gustav Link neben drei chinesischen Kollegen der erste Deutschlehrer aus Deutschland, wie er erzählt. Als Muttersprachler konzentriert er sich vor allem auf die Konversation. Das klappt mittlerweile ganz gut. „Seit Mai halte ich den gesamten Unterricht in Deutsch ab, davor musste ich teilweise in Englisch erklären“, sagt Link. Deutsche Bands wie Die Ärzte, Seeed, Wir sind Helden und Kraftwerk helfen ihm, im Unterricht auch deutsche Kultur zu vermitteln. Bevor er Ende Juli wieder in Potsdam ist, wird er auch ein Curriculum für den Deutsch-Unterricht im ersten Studienjahr für nachfolgende Lehrer erarbeitet haben.

Links China-Abenteuer begann mit einem Aushang an der Potsdamer Uni. Für den Aufbau des deutschen Instituts in Ninbo wurden Deutschlehrer gesucht. Sven-Gustav Link wollte so richtig weit weg und einen komplett anderen Teil der Welt sowie ein völlig anderes Gesellschaftssystem kennenlernen. „China 2008 - gibt es da noch Fragen?“, sagt er. Mit dem Wort Kulturschock will er das Land jedoch am wenigsten beschreiben. „Dieser stellt sich nur ein, wenn man mit einer Lupe angestrengt nach den Unterschieden sucht“, sagt Link.

Für ihn ist Kulturaneignung schon eher das Stichwort. Nach drei Monaten war er dort im Leben angekommen, erinnert er sich. Jetzt verhandele er an den Marktständen wie selbstverständlich über die Preise und rege sich nicht mehr auf, wenn der Bus überfüllt ist oder ständig auf die Straße gespuckt wird. Was er sich von den Chinesen angenommen hat? „Ich kann mit Stäbchen essen, rauche zu viele Zigaretten und zünde sogar ab und zu ein Räucherstäbchen an“, sagt er schmunzelnd.

Seinen Studenten versucht der Lehrer, eigenständiges Denken nahezulegen. „Sie scheuen sich, ihre Meinung zu sagen und haben Angst, Fehler zu machen, die in China automatisch Gesichtsverlust bedeuten“, erklärt er. Doch aus Fehlern kann man lernen und sie sind wichtig für die Entwicklung - auch das versuche er seinen Schülern zu vermitteln.

Über die aktuelle Situation, über Tibet-Krise, die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele sowie die Erdbeben-Tragödie informiert sich Sven-Gustav Link zweiseitig: Durch englischsprachige chinesische Medien sowie westliche Informationsquellen aus dem Internet. „Das muss auch sein, um ein ausgewogenes Bild zu bekommen“, sagt er. Die chinesischen Medien stellten vieles im Land nur als perfekt und harmonisch dar.

Beobachtet hat der Lehrer, wie das Erdbeben eine riesige Spendenfreude im Land ausgelöst und die Bevölkerung zusammengeschweißt hat. Und überall in dem riesigen Land gebe es eine große Vorfreude auf die Olympischen Spiele. Link erläutert: „Da die Wettkämpfe nur in und um Peking ausgetragen werden, fühlt sich das für die ländliche Bevölkerung wie ein großes Festival an, das woanders stattfindet.“ Das wird Sven-Gustav Link dann vielleicht ähnlich empfinden, denn die Spiele wird er wieder von Potsdam-Babelsberg aus verfolgen.

Beatrice George

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