Landeshauptstadt: Kulturerbe als Kulisse für Bratwurstbuden
Schlössernacht-Initiator kritisiert künstlerisches und gastronomisches Niveau der jüngsten Veranstaltung
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Schlössernacht-Initiator kritisiert künstlerisches und gastronomisches Niveau der jüngsten Veranstaltung Was ist nur aus der Schlössernacht geworden? Am vergangenen Samstag fand eine Veranstaltung statt, die sich zwar „Schlössernacht 2005“ nannte, aber nicht an frühere „Schlössernächte“ anknüpfen konnte. Bratwurstbuden so weit das Auge reichte, für die das Unesco-Weltkulturerbe nur noch Kulisse war. Auch ein nach wie vor hervorragend umgesetztes Lichtkonzept und ein sehr gutes Programmheft konnten nicht über die Schattenseiten des Abends hinweg trösten: 1. das künstlerische Konzept und 2. die gastronomische Leistung. Zu 1.: Es war kein auf das florale Thema der Schlössernacht 2005 ausgerichtetes und unter den einzelnen künstlerischen Aktivitäten abgestimmtes Gesamtprogramm zu erkennen. Wenn es ein solches Konzept gab, dann haben die Organisatoren es leider hervorragend geschafft, dieses zu verbergen. Der Sache dienlicher wäre erkennbares Engagement und Herzblut bei der Planung und Durchführung des Programms gewesen. Die Abstände zwischen einzelnen Programmpunkten waren so eingerichtet, dass es durchaus realistisch war, immer wieder vor leeren Bühnen zu stehen. Wo kleine szenische Darstellungen geholfen hätten (Umbau)Pausen zu überbrücken, passierte einfach nichts! Bei der ursprünglichen Konzeption der Schlössernacht war es immer wichtig, dass die Gäste mit einbezogen, abgeholt und durch das Programm geleitet werden. Dies bedingt, dass Mittel für Moderatoren bereitgestellt werden. Offensichtlich wurde hier kräftig gespart, denn am 20. August waren die Gäste fast vollkommen sich selbst überlassen. Hinzu kommt, dass die gebuchten Akteure sich wirklich Mühe gaben – Kunstgenuss jedoch fand nicht statt. Die künstlerische Krönung der Schlössernacht, das finale furioso, sollte das orchestrierte Feuerwerk sein. Ja, Konjunktiv! Denn was vor dem Neuen Palais geboten wurde war an Lieblosigkeit und Asynchronität nicht zu überbieten. Zu einer Musik, die vom Band lief, wurde eine sinnfreie Ballerei veranstaltet, dass es seine Freude hatte. Ein „opulentes Programm aus Theater und Musik, Literatur, Tanz und Kleinkunst“, wie auf der Internetseite www.schlössernacht-2005.de beschrieben, sieht anders aus. Hinzu kommt der „erlesene Kunstmarkt“ (wieder das Internet), der auf der Maulbeerallee mit Schmuckständen und Tinnef aufwartete, wie dies heutzutage auf jedem Dorf- oder Gauklerfest zu finden ist. Bitte, was hat dies im Park von Sanssouci zu suchen?! Zu 2.: Den kulinarischen Anspruch der Schlössernacht definieren die Veranstalter auf ihrer Website wie folgt: „ und sich zudem von den besten Köchen aus Potsdam und Berlin verwöhnen zu lassen.“ Haben die besten Köche aus Potsdam und Berlin beschlossen, ab sofort nur noch Bratwürste in die Pfanne, respektive den Grill, zu werfen? Der Reiz der Gastronomiekonzeption der Schlössernacht in der ursprünglichen Form bestand darin, dass auch hier wie schon beim künstlerischen Part immer wieder die Gebäude des Parks thematisiert wurden. Reste dieses Konzeptes waren mit einem Austernstand auf der Maulbeerallee und vor den Römischen Bädern zu erkennen: mediterranes Obst, Pasta und Ciabattabrot. Aber auch hier gab es dann einen kulinarischen Ausflug eher ins Geschmacklose: Sicherlich sind im Elsass auch reichlich römische Artefakte zu finden – doch muss deswegen gleich Elsässer Flammkuchen vor den Römischen Bädern angeboten werden? Hinsichtlich der Darreichung der Speisen gab es ursprünglich eine klare Regel: kein Einweggeschirr. Ich bezweifle, dass es dem Stil der ehemaligen Eigentümer von Sanssouci entsprach, eine Bratwurst, Pizza oder herrlich duftendes Thaifood „auf die Faust“ zu bekommen. Die Unmengen von mit Werbung vollgepappten Wurstbuden, und so muss man die „kulinarischen Tempel“ in Sanssouci nennen, vor dem Neuen Palais haben es in Kollaboration mit offiziell 32 000 Besuchern darüber hinaus geschafft, dass keinerlei Sichtachsen mehr auszumachen waren. Sichtachsen jedoch, das betont auch die bereits mehrfach zitierte Website, sind ein wesentliches Element der Parks in und um Potsdam. Herr Prof. Dr. Dorgerloh, sehen Sie nicht, wohin die Schlössernacht steuert? Wollen Sie dies wirklich der Stadt Potsdam, dem Land Brandenburg und den Ihnen anvertrauten Schlössern und Gärten zumuten: Eine Kulisse für ein kommerzialisiertes künstlerisches Angebot abzugeben, welches in seiner Anspruchslosigkeit versucht, der volksfesthaften Bratwurstkultur der kulinarischen Darbietung den letzten Platz streitig zu machen? Reißen Sie das Steuer herum. Geben Sie dem Park wieder eine würdige Schlössernacht, die den Ansprüchen und Visionen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gerecht wird! Das muss mit den seit 1999 um 100 Prozent gestiegen Preisen zu machen sein. Der Autor Thomas M. Gross ist heute operativer Manager des Tempodroms in Berlin. Mit seiner Agentur Gross Events kreierte er das Schlössernacht-Konzept und veranstaltete ab 1999 die ersten drei Schlössernächte, bevor die Agentur Insolvenz anmelden musste.
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