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Aus dem GERICHTSSAAL: Kumpel mit Klebeband an Baum gefesselt

Bewährungsstrafen wegen Freiheitsberaubung und Computerbetruges

Stand:

„Einer hielt den jungen Mann fest, obwohl der sich überhaupt nicht wehrte. Der andere fesselte ihn mit Paketklebeband an die Kastanie. Ich hatte Angst, weil er seinem Hals bedrohlich nahe kam“, erzählt Christel E. (66) im Zeugenstand. „Von meinem Balkon im dritten Stock konnte ich alles genau sehen und rief die Polizei“, so die Sternbewohnerin. Der Student Martin K. (26) beobachtete die Fesselungsaktion ebenfalls. Vor Gericht erinnert er sich, das wehrlose Opfer sei komplett umwickelt und „permanent angeschrien“ worden. Nach etwa fünf Minuten sei es von einem Dritten befreit worden.

Alles sei nur ein Spaß gewesen, beteuern David D.* (21), Rafiq R.*(20) und Sebastian S.* (22) – alle vorbestraft – auf der Anklagebank. „Wir sind Kumpels. Ich hätte nicht gedacht, dass Silvio das falsch versteht. Wir haben uns über ihn lustig gemacht, weil er total betrunken war“, so Sebastian S. Die Staatsanwaltschaft sah das anders. Sie erhob gegen das Trio Anklage wegen Freiheitsberaubung. Zudem sollen David und Sebastian zuvor Silvio die EC-Karte entwendet, ihm die Geheimnummer entlockt und 95 Euro von dessen Sparkassenkonto abgehoben haben.

„Wir waren am 3. 7. 2005 zu viert in der Disko in Briest“, berichtet David D. vor dem Jugendschöffengericht. Dort sei Silvio komplett bekleidet in einen Pool gesprungen, habe sich dann mit einem anderen Besucher in die Wolle gekriegt, der ihm per Faustschlag eine dicke Lippe verpasste. Während der Heimfahrt mit dem am wenigsten alkoholisierten Rafiq R. am Steuer habe er plötzlich sein Portemonnaie vermisst, die Freunde beschuldigt. „Wir haben uns dann ein bisschen im Auto rumgeschubst, aber nicht ernsthaft“, beteuert David D. „Und wer hat Silvio S. Pfefferspray in die Augen gesprüht?“, fragt die Vorsitzende. Das weiß keiner mehr so genau, ebenfalls nicht, wer die Idee hatte, den künftigen Koch in der Galileistraße an einem Baum festzukleben. Sicher ist sich David D. allerdings, dass er Silvio gefragt habe, ob er ihm so 90 bis 100 Euro borgen könne. „Riesenblau“, wie er war, habe er keine Lust verspürt, selbst an den Geldautomaten zu schwanken, dem Freund daher die PIN genannt.

„Ich war bettreif und konnte nur noch verquollen sprechen“, schätzt Silvio S.*(19) seinen Zustand vom frühen Morgen jenes Sommertages ein. Als er aus dem Auto gezerrt und an den Baum geschnürt wurde, sei er etwas nüchterner geworden. „Ich versuchte, mich zu befreien. Das klappte aber nicht. Sebastian hat mich dann wieder losgebunden. Hinterher haben sie sich bei mir entschuldigt“, berichtet der Potsdamer.

David D. – aus Sicht des Schöffengerichts ein Intensivtäter – wird unter Einbeziehung eines zuvor wegen schwerer räuberischer Erpressung gegen ihn ergangenen Urteils zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Sebastian S. erhält eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. In diese Sanktion wird ein früheres Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung einbezogen. Das Verfahren gegen den Libanesen Rafiq R. wird abgetrennt und am 24. Oktober mit der Anhörung seines Bewährungshelfers fortgesetzt. (*Namen geändert.) Hoga

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