
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Kunst, die auf der Zunge zergeht
Der Innenstadt-Laden „Schokokunst“ ist bereits zum zweiten Mal ausgezeichnet worden. Ein Besuch
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Es ist, als würde man ein kleines Museum betreten. Doch die Ausstellungsstücke im Laden von Susanne Müller sind nicht nur zum Anschauen gedacht. Vor allem sollen sie genüsslich verzehrt werden. Da sind etwa die Mohren von Sanssouci, zehn Zentimeter kleine Statuen nach dem Vorbild der Figuren im Park – in Schokolade gegossen.
Susanne Müller will mit ihrem Laden „Schokokunst“ aber vor allem eines zeigen: Schokolade ist nicht gleich Schokolade. Dafür stellt sie in ihrem Geschäft verschiedenste Geschmacksrichtungen, Formen und Verpackungen aus aller Welt aus. „Für mich ist Schokolade tatsächlich etwas Kostbares“, sagt Müller und kommt ins Schwärmen: „Schokolade zu genießen ist ein Fest, bringt Freude und macht glücklich.“
Die gebürtige Erfurterin verschlug es 1988 der Liebe wegen nach Potsdam. Als Fotografin sei sie damals tätig gewesen, erzählt die Frau mit den auffallend roten Haaren und der dunklen Hornbrille. Als mit der Zeit die Digitalfotografie aufkam und die analoge ablöste, war sie nicht mehr bereit, weiter hauptberuflich in diesem Job zu arbeiten: „Für mich hat die Fotografie aufgrund der Digitalisierung an Authentizität verloren.“ Zu viel würde wegretouchiert oder Fotobearbeitungsprogrammen überlassen werden.
So nahm sie mit Anfang 50 einen Kurswechsel in ihrem Leben vor: Wie so oft machte auch bei der selbständigen Künstlerin die Not erfinderisch. „Die Idee zu Schokokunst kam bei einem Fernsehabend in der Wohnung eines Freundes.“ Damals lief eine Reportage über Schokoladenherstellung. „Ich war so begeistert von der Vielfältigkeit der Schokolade, dass ich an diesem Abend beschloss, ein Schokoladen-Geschäft zu eröffnen“, erzählt Müller. Ihr Freund habe daraufhin nur gutmütig genickt, aber sei weit davon entfernt gewesen, sie ernst zu nehmen. Jedoch war ihr Ehrgeiz gepackt und in den darauffolgenden Tagen machte sie aus ihrer Idee Nägel mit Köpfen. „Ich arbeitete Tag und Nacht und baute mir den Laden langsam nach meinen Vorstellungen und meiner Ästhetik auf“, erzählt die 58-jährige Künstlerin.
Ein knappes Jahr später, 2005, öffnete der „Schokokunst“-Laden in der Hebbelstraße 46 seine Türen. Bis dahin hatte sie sich bereits viel Wissen um das schwarze Lebensmittel angeeignet. „Ich lege sehr großen Wert darauf, dass ich von jedem Stück Schokolade die Inhaltsstoffe und die Herkunft kenne“, sagt Müller. Ihr gehe es nicht darum, „Schokolade in Massen einzukaufen und so möglichst billig an den Käufer zu bringen“. Viel eher wolle sie die Vielfältigkeit und die Herstellung ihrer Produkte vermitteln und damit auch deren Wertschätzung fördern. Auch deshalb kann der Besucher in ihrem Laden Schokolade unter professioneller Anleitung verkosten wie Wein bei einer Weinprobe. „In einer Kakaobohne stecken über 300 verschiedene Aromen“, erzählt Müller. Je nachdem, wie man diese verarbeite, entwickeln sich die verschiedensten Aromen. Schokolade sei außerdem kein Laster, welches nur unnötiges Hüftgold fördere. „Schokolade mit einem hohen Kakaogehalt ist sogar äußerst gesund." Es erweitere die Blutgefäße, fördere die Durchblutung, rege den Stoffwechsel an und vermindere somit das Herzinfarktrisiko.
Und natürlich kann im Laden jeder Kunde ein Stück Schokolade zu einer Tasse Kaffee oder einer Tasse heiße Schokolade essen. Dazu müssen sie nur aus 15 verschiedenen selbst kreierten Geschmacksrichtungen auswählen. „Ich selber könnte alle 15 Sorten hintereinanderweg schlürfen“, sagt Müller und lacht.
Bestätigung für ihre Philosophie bekam Susanne Müller bereits zwei Mal. Die Gourmet-Zeitschrift „Der Feinschmecker“ zeichnete „Schokokunst“ 2007 und auch dieses Jahr als einzigen Schokoladenladen im Land Brandenburg aus.
Nun hat die Ladenbesitzerin noch einen großen Wunsch. Sie will selbst einmal eine Kakaobohnen-Plantage in Südamerika zu besuchen – jedoch fehlten ihr bis jetzt Zeit und Geld. „Vor Ort würde ich Fotos von der Ernte aufnehmen.“ Zurück in Potsdam würde sie dann die Bilder in ihrem Laden aufhängen, sagt Müller: „Ich glaube, dann wäre ich am Ziel meiner Träume angelangt.“
Laura Schütt
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