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Holzkünstler aus Potsdam: Kunst zum Sitzen

Der Kunsthandwerker Steffen Brünner verbindet Bildhauerei und Möbel. Manchmal kann er sich nicht von seinen Werken trennen

Von Sarah Kugler

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Für Flora, Wasser und Sonne stehen die ganzen und halben Kreise, die Kunsthandwerker Steffen Brünner in seine Holzbank eingearbeitet hat und die ihr eine gewisse Lebendigkeit geben. In ihrer Form am Jugendstil orientiert, wirkt sie allein durch ihre Schnitzereien und den mit Blattgold verzierten Sonnenkreis in der Mitte. Ein ganzer Monat Arbeit steckt in dem Möbelstück, das in Brunners Werkstatt steht – zwischen großen futuristischen Esstischen, weichgeschwungenen Couchtischen und kleinen viereckigen Tischen, in die später Gemälde eingearbeitet werden.

Gemeinsam mit seinem Partner Götz Falk hat der Potsdamer mehrere Räume in der Nähe des Werderaner Bahnhofs gemietet, in denen insgesamt sechs Tischler, Architekten, Bildhauer und Holzgestalter arbeiten. „Jeder liefert hier auf seine Weise einen Beitrag“, so der 46-Jährige. Brünner selbst ist Kunsthandwerker, der neben abstrahierten Skulpturen auch Möbel herstellt, an die er immer einen künstlerischen Anspruch stellt. So hat er die Platte eines relativ einfach gehaltenen Tisches etwa mit einem Stechbeitel zwei Wochen lang bearbeitet, sodass sie nun eine Wabenmustergravur hat. „Ich liebe diese Arbeit, weil nachher nicht jede Wabe gleich aussieht, es gibt Unregelmäßigkeiten und das gibt dem Tisch Charakter“, so Brünner, für den die Arbeit am Holz etwas Meditatives ist und der am 8. Mai in der Wilhelm-Galerie gemeinsam mit anderen Künstlern ausstellt.

Zehn Jahre ist es her, dass Brünner sich von seinem Beruf als Marketingleiter getrennt und den Beruf des Bildhauers für sich entdeckt hat. Damals wollte er sich selbst vor dem Burnout schützen, ohne wirklich zu wissen, wo es hingehen sollte. Als er dann aber in der Waldstadt eine große Eiche fällte und dabei ein drei Meter hohes Stück vom Stamm übrig blieb, war es um ihn geschehen. „Ich habe den mit dem Werkzeug von meinem Großvater angefangen zu bearbeiten und nach einer halben Stunde wusste ich, das ist mein Beruf“, so Brünner, der daraufhin sofort den alten Job kündigte. „Das war tatsächlich ein magischer Moment.“

Er ging dann bei mehreren Bildhauern in die Lehre, allerdings nur, um das Handwerk, nicht um bestimmte Formen zu lernen, wie er sagt. „Ich wollte schließlich meine eigenen finden“, so Brünner. Groß sollte es damals sein, das wusste er. Trotzdem ging er zaghaft an seine erste Skulptur – die Angst war zu groß, etwas zu schaffen, was nicht gewollt war. Zunächst brachte er Gefühlswelten zum Ausdruck, die er etwa in abstrahierten Figuren oder Gesichtern darstellte. Etwa in einem Kopf, der die totale Zuversicht ausdrückt und den Brünner selbst gut gelungen findet. „Die Befriedigung, die eigene kreative Energie in Formen zu gießen, das ist pures Glück“, so der Kunsthandwerker. „Das merkt man selbst, wenn das Objekt noch gar nicht fertig ist.“

Nach den eigenen Gefühlen setzte er sich intensiv mit den Emotionen anderer auseinander. Dabei suchte er stets Wege, Grausamkeit und Schmerz in Liebe und Zuversicht zu kanalisieren. „Für mich ist eine Abbildung von Schmerz nur eine Vervielfältigung und das möchte ich nicht“, erklärt Brünner. So schuf er lieber friedvolle Familienskulpturen, die zwar immer abstrahiert waren, in ihrer Form aber immer Harmonie ausstrahlen sollten. Relativ fließend ging er dann in eine künstlerische Periode über, die er selbst als „Eier“-Phase bezeichnet. „Das Ei hat eine tolle Symbolik: Es ist schon ein kleines Leben, steht aber auch für die ewige Auferstehung, das hat mich fasziniert.“ Mehrere Holzeier, die in Bäume eingebettet sind, entstanden dabei – eines davon steht im Büro von Oberbürgermeister Jann Jakobs.

Im Jahr 2013 gründete er schließlich die Potsdamer Werkstätten in Werder und begann, auch Möbel herzustellen. Dahinter steckte seinerzeit auch der simple Wunsch, finanziell überleben zu können. „Auch als reiner Künstler konnte ich leben, aber es war immer sehr knapp“, sagt Brünner. „Du gerätst dann in solche Zwänge, dass du unbedingt etwas verkaufen musst und das nimmt dir die kreative Freiheit.“ Jetzt habe er Kunden, die Aufträge abgeben – und ihm trotzdem relativ freie Hand lassen, wie er sagt. So entstand etwa die Jugendstilbank durch einen Auftrag. Die Bank behielt er dann aber doch und fertigte für den Kunden eine andere an. Wie Brünner sagt, sperren er und seine Kollegen sich mit ihrer Arbeit nicht der individuellen Entwicklung, sondern dem Trend zum schnellen Produkt. „Jedes Stück hat seinen individuellen Ausdruck und ist somit nicht kopierbar“, erklärt er. So wie etwa sein Tisch „Stellax“: Aus Holz, Glas und einem Stahlgestell entstand die futuristische Familientafel, deren Holz-Glas-Muster auch an den Jugendstil erinnert. Von dem war Brünner nach dem Besuch einer Klimt-Ausstellung absolut fasziniert, kombiniert ihn aber mit eigenen modernen Elementen, wie den kompakten Stahlkugeln am Untergestell.

Im Moment arbeitet er gerade an kleinen quadratischen Tischen, deren Tischplatten aus Bildern einer befreundeten Künstlerin bestehen sollen. „Es ist genau diese Verbindung aus ungebremster künstlerischer Kreativität und Gebrauchsgegenstand, die mich immer aufs Neue fasziniert“, so Brünner. Aber auch abstrakte Kunstwerke, wie etwa einen Perspektivengenerator, der durch unterschiedliche Flächen aus unterschiedlichen Standpunkten verschiedene Formen zeigt, gehören immer noch zu Brünners Repertoire.

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