Landeshauptstadt: Kurze, starke Schauer aus dem Turm
Katholischer Brauch wurde zum Spektakel vor der Kirche St. Peter und Paul
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Innenstadt - Nicht alles Gute kommt immer von oben. Neben Spritzkuchen und Berlinern flogen gestern Mittag vom Turm der Kirche St. Peter und Paul auch etliche Wasserbomben in die Menschenmenge – vor allem sehr zur Freude der Kinder. Der Regen aus Süßigkeiten und feuchtem Nass ist eine „importierte Tradition“ aus katholischen Gebieten, wie Diakon Johann Hafner erklärte. Eine Tradition, die zur Feier des Allgemeinen Kirchweihfestes begangen wird.
An Seilen gesichert erklommen Freiwillige den 64 Meter hohen Turm am Bassinplatz, um eine Badewanne voller Wasserbomben, rund 50 Krapfen und eine Stofftüte voller Bonbons unter die Kirchgänger aber auch viele zufällig vorbeigekommene Spaziergänger zu werfen. Aus dem Fenster unterhalb der Turmuhr und aus einem der Schall-Luken wurde die süße, aber eben auch nasse Pracht geworfen. „In der vorangegangenen Messe habe ich zumindest hingewiesen, dass der Wetterbericht heut vor kurzen, starken Schauern gewarnt hat“, grinst Hafner verschmitzt. Der Ärger über nasse Haare und Kleidung hielt sich bei den Schaulustigen am Platz vor der Kirche denn auch in Grenzen.
Premiere hatte der Brauch in Potsdam bereits im vergangenen Jahr. Damals, als die neugegossenen Glocken von St. Peter und Paul das erste Mal läuteten, organisiert Hafner das Spektakel erstmals. Der Wissenschaftler kam vor zwei Jahren aus dem bayrischen Augsburg nach Potsdam. Dort, wo der Katholizismus vorherrschende christliche Religion ist, sei der Brauch verwurzelt, so der Religionswissenschaftler. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in vielen Dörfern meist zum direkten Tag der Altarweihe ein Volksfest begangen. Da die Feierei – und damit der Alkoholgenuss sowie die Vergnügungssucht – bei den vielen Kirchweihfesten überhand zu nehmen drohten, erließ die religiöse Führung einen zentralen Tag – der dritte Sonntag im Oktober – an dem alle Gemeinden die Kirchweih gleichzeitig feiern sollten. Anlässlich des Tages werde neben dem Süßigkeitenregen und dem Volksfest auch die Kirchenfahne am Turm gehisst. „Auf die mussten wir in Potsdam bislang verzichten, die Gemeinde hat noch keine“, so Hafner, der das Fehlen der Flagge in den Finanzen vermutet. „Die kostet richtig Geld“. KG
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