Landeshauptstadt: Landtagsschloss mit rot-rotem Bündnis?
Bürgerbefragung ist geplant / Scharfenberg: PDS würde Bürgervotum annehmen / Dritte Abstimmung?
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Innenstadt - Die Meinung aller Potsdamer Bürger wird wohl am Ende ausschlaggebend sein: Ein Bürgerentscheid und ein rot-rotes Bündnis könnten den Neubau des Landtags in der Potsdamer Mitte doch noch möglich machen. Die Schlüsselrolle nimmt dabei derzeit die Linkspartei.PDS ein, die in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung mit 18 Mitgliedern die größte Fraktion stellt – und den jüngsten Entwurf für den Landtags-Bebauungsplan nach Angaben ihres Vorsitzenden Hans-Jürgen Scharfenberg geschlossen abgelehnt hatte. Dies soll ein neu auszuhandelnder Kompromiss für die Bebauung der Mitte nun ändern – zusammen mit einer Befragung der Potsdamer. Sollte eine Mehrheit der Bürger den Landtagsneubau auf dem Stadtschloss-Grund wollen, wäre die „goldene Brücke“ für den bisherigen Landtagsschloss-Gegner Scharfenberg gebaut.
„Wir würden das Ergebnis der Befragung aller Potsdamer Bürger in unsere Meinungsbildung unmittelbar mit einbeziehen“, sagte Scharfenberg gestern auf PNN-Anfrage. Gäbe es eine Mehrheit für das Landtagsschloss, „dann muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die Bürger diese Entwicklung vollzogen haben“. Eine Abkehr von der ablehnenden Haltung der Linkspartei.PDS gegen das Landtagsschloss wäre laut Scharfenberg „die logische Konsequenz“.
Die Weichen für die Bürgerbefragung oder den Bürgerentscheid scheinen bereits gestellt: Nicht nur hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) diesen Weg bereits befürwortet, die Fraktion Die Andere soll bereits einen entsprechenden Antrag für die nächste Stadtverordnetenversammlung vorbereiten. Diese Information verbreitete gestern Abend der Stadtverordnete Ralf Jäkel bei der turnusmäßigen Fraktionssitzung der Linkspartei.PDS. „Wir müssen uns hier im Raume eine Meinung bilden, welche Fragestellung wir an die Bürger herantragen wollen“, sagte er. Entgegen des Anspruches der PDS, „grundsätzlich“ öffentlich zu tagen, wurde dieser Tagesordnungspunkt jedoch auf Antrag von Scharfenberg für nicht öffentlich erklärt – wohl ein Hinweis auf die angespannte Situation bei den Genossen.
Denn der Druck auf die Linkspartei, sich gesprächsbereit zu zeigen, wächst zusehends: Rund 500 Potsdamer versammelten sich gestern gegen 17 Uhr am Alten Markt, um für den Wiederaufbau des Stadtschlosses zu demonstrieren. Sie folgten einem Aufruf des Vereins Potsdamer Stadtschloss. An der Kundgebung vor der mit Fackeln erleuchteten Nikolaikirche nahmen auch viele Stadtverordnete von SPD, CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teil sowie Mitglieder der Verwaltung wie Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz (SPD). Rund 20 meist jugendliche Gegendemonstranten versuchten, die Veranstaltung mit Rufen wie: „Nie wieder Stadtschloss“ zu stören. Sie hielten Transparente mit Aufschriften wie „Demokratie statt Schlosskopie“. Teilweise schrien sich Schlossbefürworter und -gegner gegenseitig an. Fünf Polizisten begleiteten die Veranstaltung. Trotz der Proteste werteten die Stadtfraktionsvorsitzenden Mike Schubert (SPD) und Steeven Bretz (CDU) die Demonstration als „deutliches Signal“ dafür, dass eine dritte Abstimmung über den Landtagsneubau in der Stadtverordnetenversammlung „notwendig“ sei. Wieland Niekisch, Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter der CDU, sagte sogar: „Es wäre schön, wenn zu Weihnachten ein Beschluss für das Stadtschloss auf dem Gabentisch läge.“ Er setze große Hoffnung in „ein Bürgerbegehren pro Stadtschloss“. Eine Bürgerbefragung käme für ihn dagegen nur in Frage, wenn sie bald durchgeführt würde.
Skeptisch steht CDU-Fraktionschef Bretz einem rot-roten Bündnis gegenüber, dass die bei der Landtagsablehnung am vergangenen Dienstag gescheiterte Schlosskoalition aus SPD, CDU, Bündnisgrünen und Bürgerbündnis ersetzen könnte. „Beide Partner müssten sich an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit messen lassen“, so Bretz. Dabei würde wohl nicht mehr das Landtagsschloss als Kompromiss herauskommen. SPD-Fraktionschef Schubert sagte, es gehe „nicht um Rot-Rot“. Es müsse ein Konsens gefunden werden. „Wenn die Verständigung mit der Linkspartei dazu nötig ist, dann denke ich, dass sie auch möglich ist.“ Die größte Fraktion im Stadtparlament müsse ihrer Verantwortung gerecht werden. PDS-Fraktionschef Scharfenberg erneuerte gestern gegenüber den PNN allerdings seinen „Alternativvorschlag“ für Landtagsneubau an der Stelle des ehemaligen Palais Barberini, an der heute noch die Blechbüchse steht. Dort könnte „historisierend zum Alten Markt“, aber ansonsten relativ frei gebaut werden.
Neben einer Unterschriftensammlung taten Potsdamer Bürger bereits gestern ihre Meinungen kund: Bei der Kundgebung forderten sie die Politiker in Redebeiträgen auf, mit den Parteien-Streitigkeiten aufzuhören und sich für den Landtagsbau in Potsdams Mitte einzusetzen. Die „städtebauliche Ödnis“ an dieser Stelle müsse ein Ende haben. Zudem würde der Wiederaufbau Arbeitsplätze schaffen. Andere wünschten sich das italienische Flair mit Blick auf die Havelbucht zurück, der nach dem Demontage des Theaterprovisoriums „Blechbüchse“ wieder frei werde. Jemand wies darauf hin, dass es auch Millionen kosten würde, den derzeitigen Landtagssitz auf dem Brauhausberg zu sanieren – „nur davon sieht kein Mensch was“. Ein anderer rief die Potsdamer dazu auf, jeden Monat einen Euro zu spenden und so das Schloss selbst zu finanzieren. Einen älteren Mann, der sich öffentlich gegen das Stadtschloss äußern wollte, wies die Potsdamer Kabarettistin Barbara Kuster, die die Kundgebung moderierte, allerdings zurück.
Eine weitere Demonstration für den Landtagsneubau in der Mitte soll am morgigen Mittwoch stattfinden. Dabei soll die Route über Schlossstraße, Breite Straße, Lange Brücke, Heinrich-Mann-Allee, Friedrich-Engels-Straße, Friedhofsgasse und Am Brauhausberg führen.
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