Landeshauptstadt: Lange Kerls in Maribor
Slowenischer Wintersportort lud die Potsdamer Riesengarde zur Parade ein
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Waffenlos wären die Langen Kerls beinahe aus den USA zurückgekehrt, wo sie an den Steubenparaden in New York und Philadelphia teilnahmen und in der Militärakademie Westpoint auftraten. Das Heimatschutzministerium der Staaten ließ einen Rücktransport der wertvollen, historischen Vorlagen nachgebauten Gewehre in den eigens dafür angefertigten Futteralen nicht zu, sondern forderte feste Behälter. Zwei Lange Kerls blieben daraufhin noch in der amerikanischen Metropole, um stabile Kisten einzukaufen.
„Das sorgte für Aufregung“, berichtet Matthias Leyer, „dennoch bleibt die USA-Reise natürlich ein Höhepunkt in unserem Vereinsleben.“ In diesem Jahr geht es unter seinem Vorsitz für die Grenadiere des Soldatenkönigs nicht ganz so weit hinaus. Erstmals sind sie jedoch für Mai in das slowenische Wintersportzentrum Maribor zu einem Geschichtsfest eingeladen. „Vielleicht möchten die Slowenen, die lange Zeit von den Habsburgern beherrscht wurden, ja mal etwas Preußisches“, sagt Leyer augenzwinkernd. Der 1,91 lange gebürtige Sachse, beruflich als Hauptkommissar und Leiter der technischen Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei tätig, kann für seine Langen Kerls auch sonst ein attraktives Jahresprogramm ankündigen. Es umfasst beispielsweise Auftritte beim Leopoldsfest in Dessau (mit Vereinsmitglied Klaus Brucker als „Altem Dessauer“), beim Fest „Leben im 18. Jahrhundert“ in Krefeld und beim 400. Kuhschwanzfest im thüringischen Eisfeld, das an die demokratischen Traditionen der Selbstverteidigung durch eine Bürgerwehr erinnert. Höhepunkt wird im September der Besuch bei den „Preußischen Grenadieren“ im norditalienischen Pianezza sein. Anlass ist der Jahrestag der Schlacht von Turin, in der 1706 brandenburgisch-preußische Truppen unter dem „Alten Dessauer“ die Region vor französischer Fremdherrschaft bewahrten. Die Langen Kerls verkörpern dabei die siegreichen Brandenburger.
In Potsdam wird sich die Truppe 2008 dagegen rar machen. Das alljährliche Herbstbiwak im Krongut fällt wegen Terminüberschneidungen aus. Der Verein, der dort jeden ersten Sonnabend von 11 bis 15 Uhr öffentlich übt, will laut Leyer dann nur ein „erweitertes Training“ bieten. Das ist bedauerlich, denn der Verein hat weiter aufgerüstet. Statt 36 gehören ihm inzwischen 43 Aktive an, dazu rund 20 fördernde Mitglieder. Die Ausrüstung wurde erneut verbessert. Von den im Studio Babelsberg originalgerecht geschneiderten Uniformen, je Stück um 5550 Euro teuer, über die Bewaffnung, die Waffenmeister Achim Riedel aus Bausätzen montiert, reicht sie bis zu originalgetreu gestalteten Biwakzelten. In diesem Jahr sollen „Gewehrmäntel“ (zum Unterstellen der Waffen) und ein Küchenzelt hinzukommen, in dem „Fourier“ Manfred Witte die Langen Kerls verpflegt. Eine achtköpfige Gruppe von zünftig eingekleideten „Soldatenfrauen“ begleitet ihre Männer. Neben dem Alten Fritzen, vom Rheinländer Rolf Zahren verkörpert, hat der Verein in Mike Sprenger nun auch einen Darsteller für den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. als eigentlichem Stammvater des Regiments gefunden.
Alle Ergänzungen entsprechen den historischen Vorbildern. Dazu wurde eine Sammlung von Büchern, Dokumenten und Vorlagen für die mit der Anfertigung beauftragten Firmen angelegt. Selbst der kritisch eingestellte, als bester Kenner der Langen Kerls geltende Direktor des Geheimen Staatsarchivs, Prof. Dr. Jürgen Kloosterhuis, räume inzwischen ein, dass sie keine bloße „Touri“-Attraktion, sondern ein ernst zu nehmender Geschichtsverein seien, erklärt Matthias Leyer nicht ohne Stolz. Dies schließe nicht aus, dass Interessenten die Riesengrenadiere auch für private oder Unternehmensfeiern buchen können. Die Erlöse kommen ausschließlich dem Verein zugute. Dafür wurde eine GmbH ausgegründet, über die im Internet unter www.lange-kerls.de nähere Angaben zu finden sind.
Nach wie vor werden weitere Lange Kerls gesucht, die mindestens 1,88 Meter groß sein müssen. Die Altersspanne reicht von 18 bis 56 Jahren. Sehr interesssiert ist Leyer an Musikern. Es fehlen Tamboure und Querflötenspieler. Mit bis zu 90 Auftritten im Jahr bringt das Vereinsleben viele schöne Erlebnisse, durch das intensive Training aber auch erhebliche Belastungen mit sich. Dennoch stehen die Gardisten treu zur Fahne. Ihr Längster, der 2,12 Meter große Gerd Köhler, legt in seinem EU-Rechtsstudium in Schottland sogar kurze Pausen ein, um bei wichtigen Auftritten dabei zu sein. Auch in diesem Jahr wird sich die Riesengarde wieder sozial engagieren, so durch einen Tierparkbesuch und eine Adventsfeier für bedürftige Kinder. Dabei ist die Gesellschaft für Soziale Hilfe Berlin-Brandenburg mit ihrer Schirmherrin Susann Prinzessin von Preußen der Partner. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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