
© Manfred Thomas
Von Erhart Hohenstein: Lange Kerls unter Beschuss
Erste öffentliche Musterung seit 15 Jahren stieß auf Protest linksgerichteter Jugendlicher
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Der 1,91 Meter große Konstantin Erler war am Sonnabendvormittag mit dem Chef der Langen Kerls, Roman Tummerer, noch mitten im Werbegespräch, da lernte er schon die „Gefahren“ seines bevorstehenden Soldatenlebens kennen.
Mit Lärminstrumenten und Transparenten zog ein etwa 20-köpfiger Trupp links eingestellter Jugendlicher auf den Kutschstallhof. Von Lutz Boede dirigiert, dem mittlerweile 45-jährigen Leader der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, protestierten sie gegen die öffentliche Musterung neuer Mitglieder für den Uniformverein, die erstmals wieder in der Innenstadt stattfand. Dort mussten die touristenwirksamen Auftritte Mitte der 1990er Jahre eingestellt werden, nachdem die Riesengardisten von Kampagne-Mitgliedern mit Eiern, Tomaten und später auch mit Knallfröschen beworfen worden waren.
Diesmal verzichteten sie auf die Wurfgeschosse, zeigten sich ideologisch aber genau so unerbittlich wie vor anderthalb Jahrzehnten. „Wir haben versucht, mit ihnen zu reden – aber null Toleranz“, sagt enttäuscht Vereinsmitglied Matthias Leyer. Die Forderung, „die Langen Kerls einen Kopf kürzer zu machen“, gehe wirklich über die Hutschnur.
Allerdings waren die Demonstranten spät aus den Betten gekommen, sodass die Grenadiere unter dem Kommando von Leyer ab 10.30 Uhr ihr Schauexerzieren einer größeren Interessentenschar, darunter japanischen Touristen, auf dem Kutschstallhof ungestört vorführen konnten. Als Flügelgrenadier bestaunt wurde wieder Sven Köhler, mit 2,12 Metern der Längste der Langen. Der nunmehrige Jurist ist seit seinem 18. Geburtstag dabei und kam selbst vom Auslandsstudium aus Schottland zu wichtigen Auftritten. An der Seite des Begründers der Riesengarde, des von Mike Springer verkörperten Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., war diesmal wieder der Kronprinz zu sehen, später als König Friedrich II. der bedeutendste Herrscher Preußens. Diese Rolle hat der kleine Erik Tummerer übernommen, der Sohn des Vereinsvorsitzenden.
Vorsichtshalber verzichtet wurde auf den Gag, Werbetrupps auf die Jagd nach hochgewachsenen Männern durch die Innenstadt zu schicken. Die Musterung eintrittswilliger junger Männer wurde kurzfristig in den Veranstaltungssaal des Kutschstalls verlegt. Da hatten die Kampagne-Mitglieder, die ihre Demo ordnungsgemäß angemeldet hatten, keinen Zutritt. Versuche einer Sitzblockade wurden durch die Polizei verhindert.
So kam Konstantin Erler letztlich doch zu einer ordnungsgemäßen Musterung. Dabei wurde er gemessen und gewogen. Auch ein stabiles Gebiss konnte der 21-Jährige nachweisen, der in Eisenhüttenstadt zum pharmazeutisch-technischen Assistenten ausgebildet wird. Gute Zähne sind erforderlich, um die Pappkartuschen mit dem Schwarzpulver aufzubeißen, das dann auf die Pfanne des Vorderladers geschüttet wird.
Gleich Erler stellte sich ein 1,90 Meter großer Techniker unerschrocken der Musterung, von weiteren vier liegt laut Tummerer eine Zusage vor. Der Verein war 1990 von dem Gerichtsmediziner Kurt Markert gegründet worden, besteht also 20 Jahre. Ihm gehören zurzeit knapp 70 Mitglieder an, darunter etwa 40 Aktive. Es werden weitere Grenadiere gesucht, die mindestens 1,88 Meter groß sein müssen. Die Altersspanne reicht von 18 bis 60 Jahren. Meldungen sind bei den öffentlichen Auftritten möglich, die am ersten Sonnabend im Monat ab 11 Uhr im Krongut Bornstedt stattfinden.
Erhart Hohenstein
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