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Links und rechts der Langen Brücke: Langer Atem

Peer Straube über einen ambitionierten Plan für die Schiffbauergasse, dessen Umsetzung chirurgische Präzision verlangt

Von Peer Straube

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Es ist Chance und Tanz auf dem Drahtseil zugleich. Das neue Standortmarketing- und Managementkonzept für die Schiffbauergasse, daran besteht kein Zweifel, hat frischen Wind in die von vielen schon als ermüdend empfundene Debatte gebracht, wie man dem vor allem tagsüber an Besucherschwund leidenden Kultur- und Gewerbeareal zu mehr Pep verhelfen kann. Die Vorschläge des mit der Analyse beauftragten Kölner Unternehmens AWC sind ambitioniert, in mancher Hinsicht gar visionär: Wochenmärkte nach Londoner oder Pariser Vorbild, Großveranstaltungen mit deutschlandweiter Strahlkraft wie Musikfestivals. Um so etwas zu etablieren, braucht man einen langen Atem. Und nicht zuletzt – Geld. Doch weitere Kosten für das für 100 Millionen Euro sanierte frühere Gaswerk-Gelände will die Stadt vermeiden, weil sie sich das nicht leisten kann. Wer auch immer die Ausschreibung gewinnt, hat allein hier Herkulisches zu leisten. Er wird ebenso auf die Jagd nach Mäzenen gehen müssen wie betriebswirtschaftlich tragfähige Lösungen für eigene Einnahmen präsentieren. Unmöglich ist es nicht, aber es verlangt – und so sieht es auch AWC – dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen: Standortmanagement, die Stadt, die 14 Kultureinrichtungen und das runde Dutzend Unternehmen vor Ort. Doch genau hier dürften die größten Schwierigkeiten liegen. Nicht wenige der AWC-Vorschläge für einen ordentlichen Schwung an Tagesbesuchern werden mit den Interessen der Kulturschaffenden vor Ort kollidieren. Großveranstaltungen und Märkte nehmen Platz weg, den auch andere brauchen. Ein „Welcome-Center“ oder Souvenirshop, wo per Bus herangekarrte Touristen lärmend nach der Frau mit dem Regenschirm suchen oder den Schiffbauergasse-Teddy kaufen, beschwören bei den ansässigen Kulturträgern schon jetzt die Horrorvision eines Disneylands oder Streichelzoos herauf, bei denen Künstler wie Affen im Käfig bestaunt werden. Kulturträger, Gewerbetreibende, Stadtverwaltung und Stadtverordnete müssen nun gemeinsam eine heikle Aufgabe lösen. Es gilt, aus dem fraglos ehrgeizigen Entwurf der Kölner behutsam genau jene Dosis Medizin zu destillieren, die die Schiffbauergasse gesunden und aufblühen lässt. Ist der Extrakt zu stark oder zu schwach, bleibt das Areal wenigstens am Tage weiterhin siech.

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