
© dpa
Von Richard Rabensaat: Langsamer als der Klimawandel Der ökologische Umbau lässt auf sich warten
„Die Realität holt uns ein“, stellt Wiebke Lass vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) fest. Die Voraussagen, die der Weltklimarat am Anfang des Jahrhunderts getroffen hatte, seien längst überholt.
Stand:
„Die Realität holt uns ein“, stellt Wiebke Lass vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) fest. Die Voraussagen, die der Weltklimarat am Anfang des Jahrhunderts getroffen hatte, seien längst überholt. Der letzte Bericht des Klimarates aus dem Jahr 2007 ist eindeutig. Die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen seien von 1970 bis 2004 um 70 Prozent gestiegen. Dies verursache extreme Wetterereignisse und massive Bedrohungen für 20 bis 30 Prozent der Pflanzen- und Tierarten. Diese seien deshalb vom Aussterben bedroht.
Welche ökonomischen Schlussfolgerungen sich aus den Veränderungen ergeben, wollten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion: „Wer bezahlt die Klimawende“, wissen, die unlängst an der Potsdamer Universität stattfand. Denn der Klimawandel verursacht horrende Kosten. Diese Kosten sollen durch ein Umsteuern in Politik und Wirtschaft vermieden werden.
Die Verluste durch Sturmschäden an der amerikanischen Küste beliefen sich in den Jahren 2004 und 2005 nach Auskunft von Fachleuten auf 60 Milliarden Dollar. Rückversicherungsunternehmen wie die Swiss Re oder die Münchener Rück erkennen einen Zusammenhang zwischen den Sturmschäden und der Mensch gemachten Klimaveränderung. Während weitgehend Einigkeit über die Ausgangslage besteht, stellt sich erst langsam die Erkenntnis darüber ein, dass der Veränderung des Klimas nur mit einem Umbau der ökonomischen Grundlagen und der allgemeinen Lebensgewohnheiten begegnet werden kann.
„Wir brauchen eine ökologische Modernisierung, einen ökologischen Ausbau der Infrastruktur, Öko-Zertifikate für Gebäude und Pkw,“ forderte Michael Welzin, Referent der Grünen im Bundestag. Er setzte sich dafür ein, marktwirtschaftliche Mechanismen durch ordnungspolitische Instrumente zu beeinflussen. Beispielsweise könnten Standards für die zulässigen Emissionen von Autos und Gebäuden gesetzlich festgeschrieben werden. Das zöge dann notwendigerweise entsprechende Investitionen nach sich.
Ausschließlich auf die Vernunft des Marktes zu setzen, hielten die Diskussionsteilnehmer nicht für sinnvoll. Schließlich habe der Handel mit Emissionszertifikaten gezeigt, dass eine an sich sinnvolle Regelung durch viele Ausnahmen bis zu Unkenntlichkeit verwässert werden könne. Mit den Zertifikaten sollten sich die Konzerne das Recht erkaufen, Abgase auszustoßen. Weil jedoch zu viele Berechtigungen kostenlos ausgegeben wurden, sank der Preis von 21 Euro im Jahre 2003 auf wenige Cent pro Tonne im Jahre 2007. „Das lässt sich alles korrigieren“, behauptete in ungebrochenem Glauben an den Markt der Volkswirtschaftler Michael Kohlhaas vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Der reinen Vernunft würde es entsprechen, die Schlussfolgerungen der Studie „Investitionen für ein klimafreundliches Deutschland“, an der auch das PIK beteiligt war, umzusetzen, konstatiert Lass. Um die Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, schlägt die Studie einen Maßnahmenkatalog vor. Dieser reicht von Anreizen für eine biologische Landwirtschaft über eine Änderung der Dienstwagen-Verordnung und eine beschleunigte Gebäudesanierung bis hin zum Bau dreier moderner Braunkohlekraftwerke.
Alles zusammen würde gemäß der Studie einen Erlös von 34 Euro je Tonne vermiedenes Kohlendioxid ergeben. „Das wäre eine dritte ökonomische Revolution“, stellt Wiebke Lass fest. Vieles könnte erreicht werden, wenn Unternehmen den Einsatz von Energien und Material effizienter gestalten würden. „Der Mensch und auch die Einkäufer in den entsprechenden Abteilungen brauchen aber wohl ein wenig länger, um sich umzustellen“, vermutet die Wissenschaftlerin.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: