Links und rechts der Langen Brücke: Lärmender Streit
Jan Brunzlow über leben, feiern und arbeiten in der Stadt
Stand:
Potsdamer sind manchmal nicht zu verstehen. Häufig ist genau das der Grund, warum sie die Polizei rufen. Sie verstehen sich nicht, weil es draußen laut ist. Weil Kinder auf dem Sportplatz grölen, Jugendliche laut Musik hören, ein Skateboardfahrer über die Betonanlage poltert oder die Party in der Innenstadt wieder so laut ist. Dann greift der Potsdamer schon mal zum Hörer, um der Polizei einen Tipp zu geben, auf was sie besser achten sollten. Kaum jemand käme auf die Idee, wegen einer um die Ecke quietschenden Straßenbahn oder wegen des Lärms eines tiefergelegten und vom Auspuffrohr befreiten Autos die Polizei zu rufen. Daran, an den Geräuschpegel einer Stadt, haben sich unsere Ohren wahrscheinlich gewöhnt. Aber wenn es um den von Mitmenschen verursachten Lärm geht, der womöglich in Dezibel gemessen deutlich leiser ist als das Fahrgeräusch von Autos und Bahnen, sind Potsdamer Ohren empfindlich. Vor allem bei solchem Lärm, an dessen Ursache man nicht mitwirkt.
Solche Beschwerden werden immer beliebter. Betroffen ist nicht nur die Innenstadt, auch rund um Bolzplätze in der Stadt – so in Babelsberg an der Sandscholle, in Groß Glienicke oder zwischenzeitlich auch am Karl-Liebknecht-Stadion – liegen manche Nerven blank und die Beschwerden werden vor Gericht ausgetragen. Dabei sind die Begründungen der Beschwerdeführer gelegentlich wirklich neckisch. Nicht sie selbst fühlen sich gestört, das Wohl eines Anderen liegt ihnen am Herzen. Dass ist ähnlich wie im Winter, wenn die Stadtreinigung Schnee und Eis auf den Straßen nicht beseitigt. Ein Aufschrei – aber nicht, weil man selbst nicht mehr fahren kann, sondern die Angst um die Mutti mit ihrem Kind oder um die älteren Leute treibt einen um. Ob das Beschützerinstinkt ist oder das Vorschieben Anderer vor die eigenen Bedenken ist fraglich.
Nun werden heute wieder tausende Menschen durch die Innenstadt wandern, bis weit nach Mitternacht feiern und vielen Anwohnern den Schlaf rauben. Ja, so soll es auch sein. Die Stadt lebt – und das ist auch gut so. Potsdam ist eine Stadt der Familien und der Jugendlichen. Ein Weihnachtsmarkt ist nun mal in der Innenstadt sinnvoll, das Tulpenfest natürlich im Holländischen Viertel und ein Stadtfest in der barocken Altstadt. Millionen Euro hat die Verwaltung in den vergangenen Jahren in die Urbanität der Landeshauptstadt gesteckt, immer wieder gab es dabei Streit mit den Anwohnern um neue öffentliche Flächen. Sei es am Bassinplatz, an dem Anwohner jahrelang den Lärm eines Busbahnhofes vor der Haustür hatten, sich aber gegen eine Aktionsfläche für Jugendliche und Familien wehrten. Oder das studentische Kulturzentrum in Hermann-Elflein-Straße, gegen das die Anwohner anfangs Sturm gelaufen sind. Inzwischen gibt es kaum noch offizielle Beschwerden, weil zu einem nachbarschaftlichen Miteinander gefunden worden ist. An dieser Stelle verstehen sich die Potsdamer wieder, obwohl es manchmal laut ist.
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