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Ist froh, sich auf den Weg gemacht zu haben: Susann Weidenhausen.

© A. Klaer

Sport: Laufen als Lehrmeister

Zehn Potsdamer sind am Start. Ein Jahr trainieren. Fitter und gesünder werden. Länger durchhalten. Das ganz eigene Ziel erreichen. Mit dabei: Susann Weidenhausen

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Es hat eine Weile gedauert, bis sie zugelassen hat, sich etwas Gutes zu tun. „Ich bin so aufgewachsen, dass ich funktionieren muss“, sagt Susann Weidenhausen. Und funktionieren habe bedeutet, für die Familie da zu sein, sich um die Kinder zu kümmern. Daher habe sie zunächst ein schlechtes Gewissen gehabt, als sie die Laufschuhe schnürte und raus in den Park ging, um eine Runde zu laufen. Das Erstaunliche war: Es hat ihr niemand übel genommen – ihr Mann nicht, die beiden Kinder ohnehin nicht. Warum auch? „Ich merke ja selbst, dass es mir guttut und ich ausgeglichener bin“, sagt Susann Weidenhausen.

Für ihr eigenes Seelenheil zu sorgen, ist ein Balanceakt für die 37-Jährige. „Ich bin Perfektionistin. Egal ob zu Hause oder im Job, es muss zu hundert Prozent stimmen, harmonisch sein.“ Das klappt natürlich nicht, „und dann reagiere ich empfindlich“, gibt sie zu.

Daher ist sie dankbar, dass sie das Laufen gefunden hat – oder besser, dass ihr Mann den Lotsendienst geleistet hat, um sie zum Laufen zu bringen. Denn der ist begeisterter Sportfan, hat früher geturnt, läuft, schwimmt und fährt Rad. Susann Weidenhausen hat Sport nie gemocht. „Ich war immer etwas moppelig, Bock- oder Pferdsprung im Sportunterricht hab ich gehasst.“ Die Kletterstange war ein Folterinstrument. Freiwillig hätte sie sich nie an die Startlinie eines Laufes gestellt. Wenn sie andere Leute joggen oder Sport im Fernsehen gesehen hat, habe sie das ausgeblendet, als würde es nicht stattfinden.

Das hat sich geändert, als sie ihren heutigen Mann kennenlernte. „Um ihm zu gefallen, hab ich mit dem Laufen begonnen“, erzählt sie. Und schnell habe sie gemerkt, dass es guttat. „Ich hab mich wohler gefühlt, der Kopf war frei.“ Nach nur einem halben Jahr lief sie schon einen Halbmarathon, kurz darauf – beim Potsdamer Schlösserlauf – den nächsten. Dann bekam sie ihr ersten Kind, bald darauf das zweite. Und mit der Familie wuchsen die Ausreden, um wieder mit dem Laufen zu beginnen. „Mal hat es geregnet, dann waren es Kopfschmerzen, dann dieses, dann jenes“, erzählt Susann Weidenhausen. Und wenn sie sich endlich aufgerafft hatte, eine Runde zu laufen, fanden sich danach reichlich vermeintliche Gründe, es nicht mehr zu tun. Am Ende war es allein der Gedanke, dass der Neubeginn einfach anstrengend ist und sie zu Hause blieb.

Es war wiederum ihr Mann, der sie dazu brachte, sich bei „Potsdam läuft“ zu bewerben – ohne dass er davon wusste. „Er hat nicht daran geglaubt, dass ich mich bewerbe“, unterstellt sie ihrem Gatten. Aber um es ihm zu beweisen, hat sie ihre Bewerbung abgeben.

Die Erkenntnis, dass sie es letztlich für sich getan hat und jeder Samstagvormittag beim gotorun-Training zwei Stunden Zeit nur für sie sind, setzt sich ganz allmählich durch. „Ich beginne zu akzeptieren, dass ich mir diesen Freiraum auch nehmen darf“, sagt Susann Weidenhausen. Ihr sportliches Ziel, in diesem Jahr beim Schlösserlauf wieder einen Halbmarathon zu laufen, wird messbar sein. Sie ist auf gutem Weg. Nach zwei Monaten regelmäßigem Training spürt sie erste Fortschritte, wenn auch mit etwas Erstaunen, „dass ich nach so kurzer Zeit schon wieder zweimal in der Woche eine Stunde durchlaufen kann“.

Doch Laufen kann mehr bewirken als sportliches Durchhaltevermögen. Es kann die Erkenntnis vermitteln, dass Fortschritt und Veränderung möglich sind, wenn man sich bewegt. Dass Überwindung zu Genugtuung verhelfen kann. Laufen kann ein Lehrmeister sein, der einem beibringt, dass man sich selbst Freude verschaffen kann, wenn ein Wegstück gelaufen ist. Er kann zeigen, dass aus Stolz über ein erreichtes Ziel Selbstbewusstsein und Gelassenheit entstehen können. Er kann die Erkenntnis vermitteln, dass all die gewonnenen Erfahrungswerte über sich selbst auch in anderen Lebensbereichen hilfreich sein können. Ein großes Ziel. „Ich bin froh, dass ich den Anfang geschafft und mich auf den Weg gemacht habe“, sagt Susann Weidenhausen.

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