
© Andreas Klaer
Sport: Laufend neue Inszenierungen
Zehn Potsdamer sind am Start. Ein Jahr trainieren. Fitter und gesünder werden. Länger durchhalten. Das ganz eigene Ziel erreichen. Mit dabei: Heike Bohmann
Stand:
Die Frage veranlasst sie zu einer etwas längeren Überlegung: „Warum willst du mehr?“ Denn eigentlich erreicht Heike Bohmann mit dem Laufen das, wonach alle streben: „Es macht mich glücklich“, sagt sie. Und während manchen die Suche nach Glück endlos scheint, braucht Heike Bohmann dafür ungefähr eine Stunde. Oder 10 Kilometer. Warum also mehr, wenn das Ziel erreicht ist.
„Vielleicht sind wir Menschen so konditioniert, immer mehr zu wollen“, meint Heike Bohmann, bevor sie eine herrlich einfache Antwort gibt: „Zehn Kilometer kann ich nun ja schon.“ Viele Läufer würden jetzt auf die Uhr schauen und von sich fordern, schneller zu werden. Sie nicht. „Ich brauche keinen Wettbewerb, davon habe ich woanders genug“, sagt sie. Also kein Wettrennen gegen sich selbst, sondern mehr laufen – für sich.
Mehr Ausdauer nennt Heike Bohmann eine „wichtige Komponente“ für ihre Motivation, bei „Potsdam läuft“ mitzumachen. Nicht dass sie bislang ein geringes Pensum hätte. Als Prokuristin des Potsdamer Nikolaisaals habe sie ausreichend Arbeit und Verantwortung. Und genau deshalb sei Laufen der perfekte Ausgleich für sie. „Ich funktioniere besser, wenn ich mich regelmäßig bewege“, sagt sie.
Im Moment funktioniert das leider nur bedingt. Ein Schlüsselbeinbruch setzt Heike Bohmann seit Wochen außer Gefecht. „Dieses Nichtstun macht mir klar, wie sehr Sport ausgleichen kann und wie wichtig er für mich ist“, sagt sie. Sie fühle sich total ausgebremst, wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Es ist erstaunlich, wie sehr der Körper nach Bewegung schreit, wenn er zum Nichtstun verurteilt ist“, sagt sie. „Wenn ich wieder laufen kann, hoffe ich schnell wieder das Gefühl zu haben, nur noch dankbar zu sein, weil der Körper funktioniert.“
Bei ihren aller ersten Lauf hat sie das nicht gefühlt. „Da muss ich elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein und bin mit einer Freundin und deren Bruder laufen gegangen“, erzählt sie. Und sie habe es gehasst. „Es war eine Katastrophe. Ich hatte überhaupt keine Kondition und habe nur gelitten“, sagt sie. Keine zwei Kilometer habe sie geschafft.
Damals war Tanzen ihre Leidenschaft. Modern Dance. „Zweimal in der Woche bin ich zum Training, stundenlang haben wir geprobt“, erzählt Heike Bohmann. Sie seien nicht schlecht gewesen. Als ihr Verein sogar die deutsche Meisterschaft gewann, sei sie leider nicht mehr dabei gewesen, aber den Stolz merkt man ihr heute noch an.
Über Bremen, Zürich, Berlin kam sie vor dreieinhalb Jahren nach Potsdam. „Jedes Mal wenn ich rausgehe, freue ich mich über diese Stadt, die so viel zu bieten hat“, sagt sie. Vor zwei Jahren begann sie regelmäßig zu laufen. Meistens in Sanssouci. Den Park erlebt sie einmal im Jahr als Bühne, wenndie Musikfestspiele Sanssouci und die Nikolaisaal Potsdam gGmbHl vor königlicher Kulisse die Musikfestspiele veranstaltet. Wenn sie durch Sanssouci läuft, offenbare sich der Park für sie immer wieder als eine andere Inszenierung. „Mit klassischer Musik im Ohr und bei Nebel ist das eine Wahnsinnsstimmung. Wie ein persönlicher, schöner Film, den man erlebt.“ Begleitet sie Jack Johnson, der Singer-Songwriter und Surfer aus Hawaii, fühle sie sich friedlich und ausgelassen.
„Potsdam läuft“ soll nun so etwas wie ein Konditionsprogramm werden. „Denn ich stagniere“, sagt sie. Es ist dieses Gefühl, trotz Bewegung nicht weiterzukommen, das sie jetzt antreibt und motiviert. Dieses leichte Unbehagen, es sich in einer Komfortzone eingerichtet zu haben, obwohl man genau spürt, dass die Grenzen sich verschieben lassen und mehr zu erreichen ist. Es werde sie nicht glücklicher machen, wenn sie länger läuft. Vielmehr ist ein Halbmarathon, die Zahl von 21,1 Kilometern, die Projektionsfläche für Heike Bohmanns sportlichen Ehrgeiz. „Natürlich bin ehrgeizig“, sagt sie - diesmal ohne lange zu überlegen. „Alles andere wäre gelogen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: