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Landeshauptstadt: Laute Musik gegen die Stille

Trauerfeier für den 17-jährigen Marc-Philipp

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Babelsberg - Rockmusik dringt aus den Boxen. Die „Böhsen Onkelz“ singen von Höhenflügen und Abstürzen und von einem Freund, der nicht mehr ist.

Die Trauerhalle auf dem Friedhof in der Goethestraße ist an diesem Freitagnachmittag zu klein. Die meisten der mehr als hundert Menschen, die gekommen sind, sich von Marc-Philipp zu verabschieden, stehen draußen, lehnen an Säulen, die das Dach der Halle tragen, oder sitzen auf Mäuerchen und Treppenstufen. Einige singen den Liedtext leise mit. Die laute Musik von Philipps Lieblingsband hilft gegen die drückende Stille.

Eine bunte, unkonventionelle Feier hatte sich die Mutter im Namen ihres 17-jährigen Sohnes gewünscht. Farbenfroh sind vor allem die Sonnenblumensträuße und Trauerbouquets, die ihre Träger umfassen, als könnten sie Halt bieten.

„Ein Platz bleibt leer“, beginnt Gunnar Schulz, Sozialarbeiter in der Villa Wildwuchs, seine Trauerrede. Philipp sei nicht einfach gestorben. Er wurde zu früh aus seinem Leben gerissen. Am heutigen Samstag vor vier Wochen war der 17-jährige nach einer Feier im Volkspark nahe der Haltestelle „Campus Fachhochschule“ von einer Straßenbahn überrollt. Er starb noch am Unfallort; die genaue Unfallursache ist bisher unklar.

„Wo war sein Schutzengel“, fragt der Sozialarbeiter und weiß ebenso wenig eine Antwort darauf, wie Phillips Familie, Freunde und Bekannte. Warum er, warum jetzt? Wer trägt die Schuld? Fragen, die in die Gesichter der Hinterbliebenen geschrieben sind. „Es ist nicht an uns, heute und hier zu richten“, sagt der Trauerredner. „Heute ist der Moment der Stille, denn ein einzigartiger und unverwechselbarer Mensch ist nicht mehr unter uns.“ Zurück bleibe nichts, sagt Gunnar Schulz fast provokant. Und zweifelt. „Ist es nichts, an ihn zu denken, das Bild von ihm, das wir haben zu bewahren?“ Erinnerungen hätten etwas Tröstendes, sagt der Sozialarbeiter. „Diese Bilder von einem lebendigen Philipp können uns nicht genommen werden.“ Es seien viele Bilder, die all die Menschen, die gestern an sein Grab traten, in sich trügen. „Sie wollen Philipp nicht vergessen.“ Überwiegend schwarz ist ihre Kleidung, bunt die Haare. Der Trauerzug, der der Urne folgt, gleicht einer Demonstration des Andersseins. So war Philipp, sagt Gunnar Schulz: „Unangepasst, unbequem, Feind der Herden.“ Nicola Klusemann

Nicola Klusemann

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