
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Leben am Limit“
Streikenden Auszubildenden des Klinikums Ernst von Bergmann reicht zugesagte Lohnerhöhung nicht
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Innenstadt - Unter dem Motto „Wo bleibt unsere Wertschätzung?“ haben am Dienstag rund 40 Auszubildende des städtischen Klinikums „Ernst von Bergmann“ mit Trillerpfeifen und Plakaten für die rückwirkende Einhaltung ihrer tariflichen Rechte demonstriert. Damit folgten sie einem Streikaufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und forderten auf ihrem Zug durch die Potsdamer Innenstadt eine Lohnerhöhung, die über das jüngste Angebot des Krankenhauses hinaus geht.
Dessen Geschäftsführung hatte am Montag angeboten, das Ausbildungsentgelt rückwirkend ab 1. Januar 2015 stufenweise bis zum kommenden Jahr auf 100 Prozent anzuheben. Nach dieser Regelung würden Auszubildende im ersten Jahr anstelle von 764 Euro brutto rund 210 Euro mehr erhalten. Im dritten Lehrjahr stünden 1138 Euro brutto auf dem Gehaltszettel.
Dieses Angebot lehnen der Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg und die streikenden Azubis jedoch ab. Sie fordern für die 130 Betroffenen eine rückwirkende Lohnerhöhung ab 1. Juli 2014, dem Beginn der Tarifverhandlungen, sowie die ihnen zustehenden Urlaubstage, Weihnachtsgeld sowie eine Sonderprämie in Höhe von 400 Euro. „Viele von uns wohnen nicht mehr bei den Eltern, sondern müssen einen eigenen Haushalt bestreiten“, erzählt die 29-jährige Sabine Greve, die eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin macht. „Das bedeutet Leben am Limit“, begründet auch die angehende Kinderkrankenpflegerin Marie, 20 Jahre alt, ihr Engagement.
Hintergrund der Tarif-Auseinandersetzung ist, dass bei einem ausbildenden Krankenhaus zwar die Krankenkassen für die Lohnerhöhungen aufkommen. Den urlaubsbedingten Arbeitsausfall und die Sonderzahlungen muss allerdings das Klinikum selbst schultern. „Wir sind auch weiterhin zu Gesprächen bereit“, ließ Ernst-von-Bergmann-Geschäftsführer Steffen Grebner unmittelbar nach dem Streik wissen. Allerdings werde man kein weiteres Entgegenkommen zeigen: „Neue Angebote, die inhaltlich über unsere an die Auszubildenden direkt gegebene Zusage gehen, wird es jedoch nicht geben.“
„Das Klinikum will keinen Cent zusätzlich zahlen“, kritisiert Verdi-Verhandlungsführer Maik Zigann. Angesichts der hohen Gewinnrücklage sei dies nicht nachvollziehbar. Für den einzelnen Auszubildenden aber ergäben sechs Monate mehr Lohn und die Sonderprämie immerhin ein Plus von 1700 Euro. „Wenn das Klinikum kein weiteres Angebot unterbreitet, wird es weitere Streiktage geben“, kündigte Zigann an.
Allerdings geht es um mehr als eine finanzielle Besserstellung: Die Auszubildenden der Krankenpflegehilfe sollen mit denen der Kranken- und Kinderkrankenpflege tariflich gleichgestellt werden. Wer wie Paul Sonnenburg die einjährige Ausbildung durchläuft, geht bislang mit monatlich 638 Euro brutto nach Hause. Für Sonntags- und Spätschichten gibt es keinen Cent extra. „Ich backe im Nebenjob Pizza“, erzählt der 24-Jährige. Zwar darf er im Krankenhaus keine Infusionen legen oder Wunden versorgen, muss aber manchmal sieben Tage hintereinander arbieten – in der Frühschicht. Isabel Fannrich-Lautenschläger
Isabel Fannrich-Lautenschläger
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