Homepage: Leben jenseits der Biologie
Universität Potsdam und Viadrina starten Kolleg
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Was ist Leben? Diese Frage beantworten zumeist die Biowissenschaften, indem sie etwa herausfinden, ab wann menschliches Leben beginnt, wann es endet oder wie ein Lebewesen definiert wird. Man kann sich dem Leben aber auch auf andere Weise nähern. Eine solche Herangehensweise sucht seit diesem Semester das Graduiertenkolleg Lebensformen und Lebenswissen an der Universität Potsdam und der Viadrina in Frankfurt/Oder. In der vergangenen Woche gab es den Startschuss beim Eröffnungsworkshop.
„Lebensformen und Lebenswissen sind typischerweise biologische Begriffe. Wir versuchen dagegen den geistes- und kulturwissenschaftlichen Begriff wieder zu beleben“, erklärt Thomas Khurana, der das Kolleg von Potsdamer Seite betreut. Dazu haben sich Doktoranden aus allen möglichen Geisteswissenschaften zusammengefunden, von der Philosophie und Literaturwissenschaft bis zu Jura und Kunst. Auf unterschiedlichen Wegen versuchen sie, den Begriff des Lebenswissens zu entdecken. „In der Biologie ist es nicht wichtig, dass das Leben etwas von sich weiß. Ein Lebewesen hat aber ein Wissen von sich selbst“, so Thomas Khurana. Das sei allerdings kein objektives Wissen, eher ein Ahnen, Vermuten. „Ein praktisches Wissen, dass entdeckt wird.“
Und wie lässt sich so etwas erforschen? „Zum einen müssen wir uns die Begriffe des Lebens neu anschauen“, so Khurana. Andererseits analysieren die Kollegs-Teilnehmer verschiedenste Arbeiten von Künstlern und Wissenschaftlern über das Leben. Stipendiatin Alexandra Heimes beispielsweise untersucht Dia-Installationen von James Coleman. Dort werden verschiedene Dias überblendet, so dass die Schnittstellen wie belebt wirken. Das Mittelmaß nimmt ein anderer Stipendiat unter die Lupe. Mark Potocnik erforscht den Durchschnittsmenschen. Wie wurde das Produkt der modernen Statistik in der Literatur dargestellt? Was zeichnet das Mittelmaß aus?
Die Teilnehmer des Kollegs müssen sich in sehr unterschiedliche Themen hineindenken. Das galt auch für den Eröffnungs-Workshop. Von den Menschenrechten über die Lebenstheorien des antiken Griechenlands bis zum Frauenbegriff in den Schriften von Papst Benedikt war alles dabei. Eine Gesamtaussage des Ganzen lässt sich auch für Thomas Khurana nicht ziehen. Aber es gab zahlreiche Denkanstöße.Und das ist für den Anfang eines Kollegs ja auch nicht schlecht.
Es klingt alles recht außergewöhnlich. Und das ist es auch. Finanziert wird das Potsdamer und Frankfurter Graduiertenkolleg durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). „Wir sind eines der ganz wenigen kulturwissenschaftlichen Kollegs, das durchgekommen ist“, freut sich Thomas Khurana über die Zusage. Unter den ganzen naturwissenschaftlichen Projekten sei man eine Art aussterbende Rasse. Ungewöhnlich ist aber auch die internationale Ausrichtung der Nachwuchsforscher. „Bereits das Vorgänger-Kolleg in Frankfurt/Oder hatte sehr gute Kontakte nach New York, Amsterdam aber auch Venedig und Verona“, erläutert Khurana. Das haben auch andere Graduiertenkollegs. In Frankfurt wurden die Kontakte aber frühzeitig vertraglich fixiert. Deshalb haben die Potsdamer Doktoranden nun einen unkomplizierten Zugang zur Bibliothek der University of New York. Das ist normalerweise für Gastwissenschaftler nicht so einfach möglich.
Ideale Startvoraussetzungen also für die zwölf geförderten DFG-Stipendiaten und ihre vier Kollegen aus anderen Förderprogrammen, die im Potsdamer Graduiertenkolleg zusammenkommen. Ob sie am Ende ihre Philosophie des Lebenswissens finden, wird sich zeigen. Bodo Baumert
Bodo Baumert
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