Landeshauptstadt: Leben mit der Rock-Mama
Silke Volland alias Frau Schmitt ist 42 Jahre alt und die Geigerin von Subway To Sally aus Potsdam. Sie und ihr 20-jähriger Sohn Martin sprechen über ihr nicht immer einfaches Verhältnis zueinander.
Stand:
Martin, deine Mutter ist schon immer Geigerin bei Subway To Sally. Hörst du dir ihre Musik an?
Martin: Inzwischen nicht mehr, ich kann mich damit nicht mehr so identifizieren. Die Musik von Subway ist mir da zu weich, zu theatralisch.
Was hörst du denn für Musik?
Martin: Ich höre Death Metal, solche Bands wie Cannibal Corpse oder Dying Fetus.
Silke (lacht): Da muss ich immer rausgehen, weil ich das nicht ertrage. Das ist Krach ohne Melodien. Ich glaube, da bin ich zu alt für.
Martin: Das ist professionalisierter Krach. Und zu alt kannst du dafür nicht sein: Die Musiker dieser Bands sind doch auch schon so alt wie ihr bei Subway.
Gibt es dennoch den einen gemeinsamen musikalischen Nenner?
Martin: Klar, wenn wir mal zusammen Saubermachen einigen wir uns auf Knorkator, Metallica oder hören auch mal Radio. Aber so oft kommt das nicht vor.
Das ist verständlich. Subway gelten schließlich als eine der tourfreudigsten Bands Deutschlands. Wenn Silke als Frau Schmitt unterwegs ist, hütest du dann das Haus, Martin?
Martin: Naja, dann sind immer viel Freunde bei mir, die sich auch manchmal daneben benehmen. Aber am Ende mache ich alles wieder sauber, damit Muttern keinen Herzinfarkt kriegt, wenn sie nach Hause kommt.
Silke: Ich denke aber, dass bei ihm inzwischen die ganz große Freude weg ist, ungestört mehrere Wochen lang Party zu machen. Vor drei, vier Jahren war das noch anders Inzwischen weiß er, was geht und was nicht – und hat auch gelernt eine Wohnung wieder in Ordnung zu bringen.
War es also nicht immer einfach, die Band und das Dasein als Mutter zu verbinden?
Silke: Nein, das war und ist nicht einfach. Die Frage der Betreuung ist nur eines von etlichen Problemen, die man meistern muss. Anfangs wurde er während meiner Abwesenheit von seinem Vater oder den Großeltern betreut. Das war gut so und auch schön für ihn. Doch mit Beginn der Pubertät wurde es dann schwieriger – zu alt für die Großeltern, aber noch zu jung, um ganz allein zu bleiben. Doch insgesamt ist so eine Zeit allein natürlich für einen Jungen auch eine Herausforderung und eine Chance zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
Martin, siehst du das auch so?
Martin: Ja. Man muss dann eben lernen, sich selber zu kümmern. Das prägt.
Wie bekommst du ansonsten mit, dass deine Mutter relativ berühmt ist?
Martin: Na ja, darauf werde ich immer mal angesprochen, von Freunden oder früher von Klassenkameraden Die meisten Leute fragen, wie es der Band geht, ob es etwas Neues gibt. Aber es gab auch schon welche, die wirklich einmal „Frau Schmitt“ kennen lernen wollten und die extra deswegen dann zu uns nach Hause gekommen sind.
Silke: Das ist nicht einfach, weil die Leute etwas anderes erwarten. Und ich eben unsere Wohnung auch als meinen Privatbereich sehe, in den ich mich zurückziehen kann und auch “mal in Jogginghose herumlaufe – und nicht immer Lust und Zeit auf ein „Interview“ habe.
Martin:Toll ist es natürlich aber, im Laden am CD-Regal vorbei zu laufen und die vielen Alben von Subway To Sally zu sehen. Oder das Gesicht deiner Mutter auf einem Plakat. Manchmal kann ich sogar mit auf Festivals fahren, wo Subway spielen. Und lustig ist auch, wenn Freunde einen Auftritt der Band auf DVD sehen und sagen: „Wow, deine Mutter sah ja wieder gut aus.“ (Silke lacht und winkt ab)
Spielst du eigentlich auch selber Musik, Martin?
Martin: Ich hatte mal Klavierunterricht und kurze Zeit auch mal Schlagzeug. Ein aktuelles Band-Projekt liegt allerdings momentan leider auf Eis.
Silke, Subway to Sally habt ihr 1990 gegründet und habt seit mehr als zehn Jahren richtig großen Erfolg. Würdest du Martin denn empfehlen Musiker zu werden?
Silke: Ich bin auf jeden Fall dafür, dass Menschen Musik machen. Musik ist für mich die Schönste aller Künste, weil sie nur zusammen mit anderen Menschen entsteht. So wächst in einer Band ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl, man blüht auf darin. Deswegen würde ich auch niemand davon abraten, ein professioneller Musiker zu werden – wenn nur genügend Willen und Ehrgeiz da sind. Und ich würde immer auch auf die Schwierigkeiten hinweisen, die mit dem Beruf verbunden sind. Doch wer etwas möchte, der findet seinen Weg – obwohl es als Musiker wirklich viel Fleiß, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen braucht. Ein typisches Problem ist zum Beispiel auch: Was passiert, wenn es vorbei ist? Mit 25 habe ich gedacht, dass spätestens mit 40 Schluss ist, weil ich dann zu alt bin. Doch zur Zeit gibt es keinen Grund aufzuhören, wir sind erfolgreich und unsere Fans, auch die ganz jungen, fragen nicht nach unserem Alter. Vielleicht klappt es ja bis zur Rente.
Martin, wenn du solche Sätze hörst: Bist du da stolz auf deine Mutter, obwohl du die Musik vielleicht nicht so gut findest?
Martin: Auf jeden Fall. Das Schöne an ihr ist, dass sie nie ein spießiger oder verklemmter Mensch war
Silke: was jetzt aber nicht heißt, dass ich nun alles zulasse. Ich kann auch sauer sein. Etwa, wenn er wie jetzt oft zu häufig nur rumhängt. Das finde ich nicht gut.
Das hört man oft: Jugendliche, die grade keinen Bock haben. Du selber, Silke, bist ja in der DDR groß geworden. Wenn du deine Generation jetzt mit der Generation damals vergleichst: Was war besser, was war schlechter?
Silke: Besser oder Schlechter ist abhängig von der Perspektive, die jeder persönlich hat. Für mich ist klar:
Wenn die Wende nicht gekommen wäre, hätte ich nicht Geigerin werden können, weil ich bereits eine Ausbildung als Musikerin abgebrochen hatte – und wer da einmal raus war, blieb draußen. Ich finde jedoch generell, dass sich die Situation zwischen damals und heute nicht vergleichen lässt. Es sind gut 25 Jahre vergangen. Das ist eine Zeitspanne, die auch ohne den Ost-West-Aspekt viele Veränderungen mit sich brachte. Es gibt heute viel mehr Chancen und Möglichkeiten für Jugendliche sich zu bilden. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass das auch ein Problem ist. Das Bild von dem, was man mal werden möchte im Leben, wird immer verschwommener und unübersichtlicher. Deswegen hüte ich mich auch davor, meinen doch recht geradlinigen Werdegang – Schule, Ausbildung, Musikerin – mit Martin zu vergleichen. Ich traue ihm seinen eigenen Weg zu.
Martin: Die Auswahl ist schon sehr groß, aber beschissen. Wenn etwas da ist, bricht das auch schnell wieder zusammen. Ich hatte eine Ausbildung als Koch, die habe ich abgebrochen – weil das Arbeitsumfeld mir zu hierarchisch aufgebaut war. Jetzt ist mir oft langweilig, so dass ich viel Zeit mit dem Hund verbringe. Doch ich will wieder etwas Richtiges machen und habe deswegen auch schon Bewerbungen geschrieben.
Viel Glück dabei. Nun steht in ein paar Tagen das traditionelle Weihnachtskonzert von Subway To Sally im Lindenpark an. Martin, bist du da?
Martin: Natürlich. Bei den Konzerten in Potsdam bin ich immer dabei, weil ich dann sehe, wie sich Mutter in einem Jahr entwickelt hat. Das gefällt mir daran. Außerdem kenne ich alle von der Band – beziehungsweise kennen sie mich schon seit ich ein Kleinkind war.
Und was bedeutet das Konzert für dich, Silke?
Silke: Es ist das Bonbon des Jahres. Wir spielen nur einmal im Jahr in unserer Heimatstadt und in dem Club in dem wir mal angefangen haben – von dem aus unsere „Reise“ quasi begann. Auch für uns ist es so, dass wir immer dann erst richtig bemerken, was im vergangenen Jahr alles so los war. Wenn du in einer anderen Stadt auftrittst, bist du ja „nur“ eine Art Dienstleister. Doch zu Potsdam haben wir als unserer Heimatstadt eine ganz andere und emotional viel stärkere Verbindung. Zu dem Konzert kommen unsere Eltern, unsere Freunde Das ist schon etwas Besonderes. Außerdem ist es das einzige Konzert im Jahr, bei dem ich hinterher nach Hause gehen und in meinem Bett schlafen kann.
Silke und Martin, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Henri Kramer
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