Landeshauptstadt: Leben trotz Welterbe
Beim Neujahrsempfang der Stadt Potsdam ging es vor allem um Lust und Last des Unesco-Titels Ex-Ministerpräsident Platzeck nutzte die Gelegenheit, sich ins Goldene Buch einzutragen
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Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh hat sie wohl auch ein wenig als Mahnung zum Neujahrsempfang der Stadt mitgebracht, die Original-Urkunde aus dem Jahr 1990, die Potsdam den Welterbe-Status bescheinigt. Schließlich ist er als Herr über die Preußischen Schlösser und Gärten auch für die Pflege dieses Unesco-Erbes zuständig, manchmal auch gegen den Widerstand der Potsdamer Stadtverwaltung. Kein Wunder also, dass Dorgerloh den diesjährigen Themenschwerpunkt der Stadt mit dem Titel „Leben im Unesco-Welterbe“ gut findet – und die Gelegenheit zur Mahnung nutzte.
Einen Teil des Welterbes zu erhalten sei ein globaler Auftrag, sagte Dorgerloh bei seiner Rede während des Empfangs im Nikolaisaal. Manchmal habe er den Eindruck, in Potsdam herrsche eher das Motto „Leben trotz Welterbe“. Ihm sei bewusst, dass das Erben nicht nur eine Lust, sondern auch eine Last sei – und spielte anschließend auf den Dauerstreit zwischen Stiftung und Stadt um Parkpflege und Parkeintritt an. Doch ein Welterbestatus sei eben nicht nur eine Auszeichnung der errungenen Leistungen, sondern auch eine Verpflichtung, die man der Welt gegenüber übernehme, so Dorgerloh.
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) thematisierte in seiner Rede die Spannungen zwischen Stadtverwaltung und Schlösserstiftung: „Wenn das Welterbe auf eine wachsende Stadt trifft, kann es zu Reibungen kommen“, sagte er. Doch letztlich hätten er und Dorgerloh sich meist einigen können. Und er gewann den beschriebenen Reibungen auch etwas Gutes ab: „Es zwingt uns als Landeshauptstadt zu gezielten Entscheidungen, zu Schwerpunktsetzungen und zu Kompromissen.“
Auch Innenminister Ralf Holzschuher, der die Landesregierung bei dem Empfang vertrat, sprach die Konflikte in der Stadt an. Der Umgang mit dem historischen Erbe sei oft schwierig, das hätten zum Beispiel die Diskussionen um die Gestaltung des Alten Markts gezeigt, sagte der SPD-Politiker. „Die Stadt scheut die Auseinandersetzungen nicht“, fügte er hinzu und leitete damit über zu einem Streit, der derzeit zwischen Landesregierung und Stadt um das Rechenzentrum in der Breiten Straße schwelt. Dort sollte das Land eigentlich ausziehen, damit das Gebäude abgerissen und an seiner Stelle die einstige Plantage und der Lange Stall wiederentstehen können. Doch zum Unmut der Stadt will der zentrale IT-Dienstleister der Landesverwaltung nun doch erst 2017 ausziehen. „Es gibt nun mal Zwänge finanzieller Art“, verteidigte Holzschuher dies nun beim Neujahrsempfang. Und der Minister versprach gleichzeitig eine baldige Einigung: „Ich bin guter Dinge, dass es in nächster Zeit eine einvernehmliche Lösung geben wird.“
Das Publikum, bestehend aus 600 Gästen aus der Politik, der Wissenschaft, der Kultur, dem Sport und den Medien, applaudierte artig bei allen Rednern und den musikalischen Beiträgen des Jugendsinfonieorchesters der städtischen Musikschule. Doch den längsten Beifall bekam Matthias Platzeck (SPD), bis vor Kurzem Ministerpräsident des Landes und einst auch Potsdamer Oberbürgermeister. Potsdam habe Pech gehabt, sagte er, nachdem er sich in das Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte. DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht habe der Stadt den preußischen Geist durch Abriss und Überbauung austreiben wollen. „Die Stadt wurde hart geprüft, aber sie hat die Prüfung exzellent bestanden.“ Dies habe Potsdam auch den Stadtverordneten vor über 20 Jahren zu verdanken, die sich für eine Wiederherstellung der historischen Mitte in den historischen Grundrissen ausgesprochen hatten, „obwohl dafür kein Jubel zu erwarten war“. Er dankte den damaligen Akteuren für ihren Mut und ihre Weitsicht – namentlich erwähnte er unter anderen die heutige Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke und seine Ex-Frau Ute Bankwitz, derzeit noch Bürgerbündnis-Fraktionsvorsitzende.
Und Platzeck gab den Potsdamern einen Ratschlag mit ins neue Jahr: „Die Herausforderung wird sein, die Mischung zu erhalten, und Potsdam nicht zur Monokultur der Schönen und Reichen werden zu lassen.“
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